Die längste und gleichzeitig außergewöhnlichste Startnummer im DMV GTC und DUNLOP 60 ist die #469. Sie ist nahezu untrennbar verbunden mit dem Zillertaler Porsche-Spezialisten Alois Rieder und dessen 911 GT3 R (Generation 997), der als 2011 produziertes Chassis in der neu installierten Klasse 2 der GT3-Jahreswagen antritt – mit aktiven Titelchancen.
Irgendwann 2019 auf dem Hockenheimring sitzen vier Männer sitzen im Bewirtungszelt des GTC Race zusammen. Nur einer der vier trägt einen weißen Rennfahrer-Overall aus feuerfestem Nomex-Gewebe, soeben drückt er seinen Glimmstengel aus. In der unverkennbar knackenden Mundart eines Alpenländers sinniert er, noch während sich der letzte Zigarettenrauch verzieht: „Wir sind mit Abstand die kleinste Nummer hier im Fahrerlager. Aber dafür haben wir die mit Abstand längste Startnummer – und kaum jemand weiß, wofür sie eigentlich steht!“
Alois Rieder hat Recht damit – und das weiß er nur zu gut. Überhaupt scheint der Multi-Unternehmer aus Ried im Zillertal ein hintergründiger Charakter zu sein. „Wir kommen nicht wie alle anderen mit einem professionellen Team-Auflieger daher, sondern eben nur mit einem offenen Anhänger hinter einem VW-Bus. Wir betreiben Motorsport noch genau so, wie wir ihn vor mehr als zehn Jahren im Porsche-Alpenpokal bei uns daheim in Österreich kennengelernt haben. Gut finde ich, dass wir im GTC Race die Möglichkeit dazu bekommen – denn auch für uns ist das unsere Serie, wie so gern unterstrichen wird.“
Der Tiroler fühlt sich sichtlich gut aufgehoben in der Szene, die sich rund um das GTC Race und das Einstunden-Rennen des Goodyear 60 aufgebaut hat. Alois Rieder kam vor mehr als einem Jahrzehnt mit einem Porsche 911 turbo der heute am Sammlermarkt so gefragten Modellreihe 964 in den Porsche-Alpenpokal, der nicht mehr ausgetragen wird. Rieder zeigte vor allem bei regennassen Streckenverhältnissen eine besondere Fahr-Begabung und lieferte sich erfrischende Zweikämpfe mit Christian Überbacher, der einen ähnlichen Fahrzeugtyp an den Start brachte. Doch das Alpenpokal-Idyll löste sich zusehends auf, als die Mehrheit der aktiven Fahrer auf Cup-Versionen umstieg. Vor dem Hintergrund stetiger Modellpflege gab Porsche regelmäßig neue Aerodynamik- und Leistungsstufen frei – mit absehbaren Konsequenzen: Der Innovationsdruck war hoch im Starterfeld, obendrein verschärfte sich der Wettbewerb, die Competition. Dennoch erwarb Alois Rieder von Arkin Aka, dem türkisch-stämmigen Teameigentürmer von Attempto Racing in Hannover, einen vormals vom langmähnigen Dänen Nicki Thiim pilotierten 911 GT3 Cup der Generation 997.
Gleich beim ersten Einsatz auf dem Red Bull Ring war der Debütant unverschuldet in eine Startkollision verwickelt. Anschließend benötigte er eine neue Rohbau-Karosse. Auch nach erfolgter Instandsetzung fand er nur mäßigen Gefallen am harten Kontaktsport in der internen Markenpokal-Liga – und wechselte in einen 911 RSR derselben Modellgeneration 997. Das Chassis mit nachgewiesener Le-Mans-Historie lieferte Felbermayer-Proton-Racing. Doch erst nach einem wie schon in Spielberg unverschuldeten Crash mit anschließendem Karossen-Austausch setzte sich in Brünn die Erkenntnis durch, dass der GTE-Bolide in einem Museum besser aufgehoben sein könnte. „Meines Wissens sind keine 30 RSR in dieser Ausführung von der Porsche-Kundensport-Abteilung produziert worden“, mutmaßt Alois Rieder, „da ist es doch besser, ein so seltenes Sonderserien-Exemplar eben nicht als Gebraucht-Rennwagen zu sehen, sondern es als Sammler- und Anlageobjekt wegzustellen.“
Der Dritte im Bunde der wassergekühlten Sauger: ein 2011 an Alfred „Fredl“ Herberth gelieferter und bei den Zwölf Stunden von Mugello im gleichen Jahr erfolgreicher Porsche 911 GT3 R – einer FIA-GT3-Ausführung, ebenfalls auf dem Erfolgstyp 997 basierend. Später erhielt der Langstrecken-Racer noch den „Step 2013“, ein federführend durch den Porsche-Entwicklungspartner Manthey-Racing definiertes Aero-Update-Paket. Solchermaßen gerüstet, fanden Alois Rieder und seine drei mitreisenden Kollegen Ulrich Ritzer, Christian Überbacher – der einstige Gegenspieler aus dem Porsche-Alpenpokal – und Christoph Eller den Weg ins Veranstaltungsformat von Lena und Ralph Monschauer. Im Hintergrund wirkte auch Rainer Sauter als Motorenmann mit, er stimmte das Vierliter-Aggregat auf den 72-Millimeter-Air-Restrictor ab, der vom technischen Reglement mit seiner Balance of Performance vorgeschrieben wird. 498 PS kursieren als vorsichtige Leistungsangabe – und noch eine andere Zahl: an die 30.000 abgeleistete Rennkilometer.
Alois Rieder hat einen engen Zeithorizont: So betreibt er zum Beispiel eine Zimmerei, einen Hoch- und Fensterbau – sowie eine vom Vater Richard Rieder übernommene Quelle, aus der ein Mineralwasser sprudelt. Alpquell heißt das Produkt durchaus zutreffend, zwischen 80 und 100 Jahren rinnt es durch das Gestein der Zillertaler Alpen, ehe es schließlich die Abfüllanlage erreicht. Das Wasser hat eine Vergangenheit in der Formel 1 der wilden siebziger Jahre. „Ja, googeln Sie doch mal den Rennfahrer-Namen Hans Binder!“, schlägt der Sprudelwasser-Mann ganz unprätentiös vor.Hinzugefügt: Und die Startnummer 469, woher rührt die nun so konkret? Am Tisch im Bewirtungszelt des GTC Race kommt Heiterkeit auf. Ulrich Ritzer, einst selbst im Porsche-Alpenpokal auf einem Porsche 911 (993) RS mit Biturbo-Bolt-On-Umbau von Ferdinand Pietz aktiv, klärt schließlich auf: „Der Alois ist im vierten Monat des Jahres 1969 geboren.“ Genauer gesagt genau am 1. April und daher auch von dieser Stelle: herzliche Glückwünsche!
Text: Carsten Krome Netzwerkeins