Driving Experience // Fahrerlebnis
Porsche Panamera S Hybrid der ersten Generation
Hybrid – das sind anscheinend zwei Welten, vereint in einem Automobil. Mit dem Porsche Panamera S Hybrid der ersten Serie zogen wir einst durch Stadt und Land. Prominente Unterstützung wurde uns zuteil, als wir auf einer waschechten Bergrennstrecke vorbeischauten. Schauspieler (und Geburtstagskind) Norbert Heisterkamp griff für uns als PS-Profi ins Lenkrad eines mindestens 106.185 Euro teuren Palastes auf Rädern, notiert und miterlebt vom Porsche-Markenexperten Carsten Krome.
Der Mann von der Stadtreinigung runzelt die Stirn, kratzt sie nachdenklich, lehnt den Kopf nach hinten, dann zur Seite und meint schließlich gedehnt: “Ich mein´ – ich hab´ ja getz nich dat Geld. Aber wenn ich et für´n Porsche übrig hätte, dann wär´ dat bestimmt nich so´n Dingen. Dann wär´ dat für ´nen Neunhundertelfer!“ Der Vortrag im Ruhrgebiets-Jargon ist noch nicht im frischen Frühjahrswind verhallt, da rudert er zurück: “Wobei – wenne getz vonne Seite gucks, dann sieht dat schon schick aus. Mein lieber Schwan!“ Die Zufallsbegegnung mit dem Stil-Kritiker im Signalorange ist in vielerlei Hinsicht denkwürdig. Sie trägt sich am Rande eines ehemaligen Zechengeländes in der Stadt Herten zu. Als der Steinkohlen-Bergbau andernorts schon lange eingestellt war, holten die Kumpels “AufEwald“ noch immer ihr Grubengold ans Tageslicht. Das Hertener Kohlenbergwerk fuhr am 28. März 2000 die letzte Förderschicht. Jahrzehnte später stehen die Bestandsgebäude aus rötlichem Backstein symbolhaft für einen Strukturwandel, der alles andere als vollständig vollzogen ist. Für den Porsche Panamera S Hybrid hätte die alte Industriekulisse 2013 kaum bezeichnender sein. Denn auch der Gran Turismo aus Leipzig befand sich inmitten eines Evolutions- und Wandlungsprozesses – mit dem Unterschied, dass es bei ihm schneller voranging. Im Porsche-Tempo sozusagen. Jedenfalls stand die zweite Modellgeneration des Panamera damals in den Startlöchern. Der Weltöffentlichkeit sollte sie im fernen Shanghai vorgestellt werden – Stückzahlen lockten, von denen die Schöpfer des aktuellen 911 allenfalls träumen konnten. In der hauseigenen Verkaufsstatistik war die Sportwagen-Ikone aus Zuffenhausen auf den dritten Platz zurückgefallen. Vielleicht war das so, weil ein Porsche 911 mit Hybrid-Antrieb Jahre zuvor zwar auf der Rennstrecke in die Schlagzeilen raste, in der Serie bisher aber nicht verfügbar war. Wieso musste das eigentlich so sein?
Denn Porsche und Hybrid – strenggenommen sind das gleich zwei Bekenntnisse auf einmal. Manche würden sogar sagen: Es sind zwei Glaubensbekenntnisse. Einen Porsche fährt niemand ausschließlich aus Vernunftgründen. Alles an einem solchen Fahrzeug ist Emotion. Unter dem Stichwort “Porsche Intelligent Performance” kennzeichnen seit 2010 hochwertige Hybrid-Fahrzeuge einen Vorstoß in die Zukunft des Automobils. Dank ihrer innovativen Technologie sollen der Energieverbrauch und im Umkehrschluss natürlich auch der Schadstoff-Ausstoß reduziert werden. Noch unter der Ägide des Porsche-Vorstandsvorsitzenden Dr. Wendelin Wiedeking begannen 2005 offiziell – unter dem Eindruck des ersten Volkswagen-Aktienerwerbs – die Entwicklungsarbeiten an einem Cayenne mit zwei kombinierten Antriebsarten. Dessen klassischen Benzinmotor – einen von Audi zugekauften V6 – ergänzte eine Elektromaschine im Heck. Diese bezog ihre Kraft im Wesentlichen aus der Reibungsenergie, die in Form von Wärme beim Bremsen entsteht. Solchermaßen gerüstet, durfte der Geländewagen von Porsche im November 2010 schließlich in Serie gehen – und die Kundschaft einem bis dato unbekannten Zielkonflikt aussetzen. Auf der einen Seite sparte der Cayenne S Hybrid nämlich Energiekosten ein, auf der anderen Seite lag sein Anschaffungspreis weit oberhalb der konventionellen Ausführung. Wer sich dennoch zugunsten einer Hybrid-Version entschied, investierte in ein Image – ein grünes nämlich. Die nachvollziehbare Botschaft lautete: “Wir denken voraus, wir sind fortschrittlich – wir leben und fahren Porsche!”
Im Februar 2011 folgte dem Cayenne S Hybrid der ebenfalls im Werk Leipzig zusammengebaute Panamera S Hybrid. Trotz seiner Riesenhaftigkeit überraschte der Gran Turismo mit einer Energie- und Schadstoffbilanz, die seiner Kategorie nicht im Entferntesten entsprach. Er brauchte im NEFZ, dem Neuen Europäischen Fahrzyklus, weniger Benzin als ein VW Golf. Und das trotz kombinierter 380 PS, die sich aus einem abermals durch Audi angelieferten V6-Aggregat mit 333 PS sowie einem 47 PS starken Elektromotor zusammensetzten. Dieser ist unter dem Kofferraumboden angeordnet und dient gleichzeitig als Startermotor – Anlasser darf man in dieser automobilen Liga nicht sagen. Ein Mindestpreis in Höhe von 106.185 Euro trennte wie beim Cayenne S Hybrid die Spreu vom Weizen. Wer sich den Luxus dennoch erlauben konnte, erlebte Technologie von morgen. Entscheidend für die richtige Fahrstrategie ist ein Flussdiagramm im zentral angeordneten Display, dessen drei Farben den jeweiligen Energiestrom anzeigen. Wenn rote Kraftlinien aufleuchten, wird Benzin verbrannt. Grüne Linien bedeuten, dass der Energiespeicher mit Elektrizität versorgt wird. Die Farbe Blau zeigt den Abruf der elektrischen Ladung an. Und: Der Zustand des rein elektrischen Dahinrollens ist akustisch wahrnehmbar. Es ist nämlich rein gar nichts zu hören. Wie an einem Mischpult in der Diskothek wird der Motor im E-Modus abgekoppelt. Das Fahrzeug “segelt” dahin. Ab und und an braucht es neuen Schwung, da die Elektromaschine mit ihren 47 PS den 1.980 Kilogramm Lebendgewicht auf Dauer nicht gewachsen ist. In der Stadt und auf dem Land – weniger auf der Autobahn – funktioniert das Miteinander von Strom und Sprit der Güteklasse “Super plus” absolut perfekt.
Der Effekt des Hybrid-Antriebes ist erstaunlich. Besonders in der Stadt ist es über längere Abschnitte möglich, komplett elektrisch zu fahren. Einen sensiblen Gasfuß vorausgesetzt, ist sogar das Durchbeschleunigen aus dem Stand möglich, ohne dabei den Benzinmotor zu bemühen. Es darf nur nicht bergauf gehen. Denn dann fehlt es – wie bereits bemerkt – an Schubkraft, und die 333 PS unter der wuchtigen Fronthaube sind gefordert. Die Zuteilung der jeweiligen Antriebsarten wird automatisch vorgenommen. Noch faszinierender ist es allerdings, wenn dieses technische Wunderwerk seine eigene Reichweite von selbst verlängert. Stellen Sie sich doch nur einmal vor, Sie hätten noch 79 Kilometer zurückzulegen. Im Tank – das teilt Ihnen die überaus exakte, sehr verlässliche Reichweiten-Anzeige mit – befindet sich lediglich Treibstoff für 69 Kilometer. Sie nehmen unverdrossen Ihre Fahrt auf, setzen sich ein Limit, wie schnell Sie maximal sein wollen. Bei kontinuierlich 100 km/h, mit Laden und Segeln im stetigen Wechsel, werden Sie eine für unglaublich gehaltene Feststellung machen. Sie werden Ihr Ziel nicht nur erreichen, sondern 20 Kilometer Rest-Reichweite übrig behalten! Auf wundersame Weise, wie von Geisterhand gesteuert. Gut, spätestens jetzt sollten Sie die Tankstation Ihres Vertrauens aufsuchen, um teils elektrisch, teils durch das Hinzuziehen des Verbrennungsmotors, den Spaßfaktor, die Sportwagen-Genetik, zu ergründen. Wie verhält sich ein annähernd zwei Tonnen schwerer Porsche in extrem sportlich durchfahrenen Kurven? Dies zu ergründen, geht es zur Abschlussprüfung ins Osnabrücker Land. Auf dem Teilabschnitt einer alten Kreisstraße von Hilter-Borgloh nach Bissendorf – touristisch auch als “Osning-Route” bezeichnet – findet alljährilich ein Automobil-Bergrennen statt. Zwar gilt im Alltag ein strenges Tempolimit, doch in den unterschiedlich engen Kurvenradien wird dennoch Abwechslung geboten. Erstaunlich ist, dass der Panamera S Hybrid trotz seines Gewichts in keiner Situation zum äußeren Rand der Kurve hin treibt und sich im Extremfall dem Gegenverkehr in den Weg stellt. Es genügt eine aktive Lenkbewegung, um die gewählte Richtung mit Nachdruck zu unterstreichen. Überhaupt ist Agilität der zweite Vorname des Panamera S Hybrid. Die Lenkung ist überaus präzise, und die Bremsanlage “beißt” auch aus hohen Geschwindigkeiten zuverlässig. Das haben wir am eigenen Leibe er-fahren, immer und immer wieder.
Der Mann, der für uns die Gegenprobe vornimmt, ist einer der erfolgreichsten Film- und Fernsehschauspieler Deutschlands. Aber nicht nur das: Norbert Heisterkamp ist auch Porsche-Enthusiast, Besitzer eines 911 turbo II, und Rennfahrer auf der Nürburgring-Nordschleife. Spontan kommt er nach Hilter-Borgloh, um am Osnabrücker Berg Maß zu nehmen. Oben an der Ziellinie erwartet ihn ein Hörspiel: “Das sind Bibi und Tina, mit Amadeus und Sabrina – sie reiten im Wind, sie jagen geschwind, weil sie Freunde sind”. Das brüllende Gelächter auf offener Szene unterstreicht letztlich nur, dass es sich beim Panamera S Hybrid um mehrere Automobile in einem handelt – nicht nur ein klassischer Benziner und ein modernes Elektro-Fahrzeug unter ein- und derselben Hülle, sondern auch Familientransporter und Sportwagen zugleich. Dass bei diesem Porsche alles ein wenig anders ist, wird beim lautlosen Anrollen im E-Modus offenbar. Auch in der Anfahrt aus dem Talkessel bei Hilter-Borgloh hinauf nach Bissendorf hört sich der weiße Riese sehr speziell an: Er pfeift, und er bewegt sich unter Zugkraft des Motors wie ein deutlich leichtgewichtigerer Tourenwagen. Das Prozedere wiederholt sich einige Male, ehe Norbert Heisterkamp völlig überrascht feststellt: “Bei diesem Porsche hätte ich wirklich mit allem gerechnet – nur nicht, dass er sich wie ein echter Porsche anfühlt! Besonders hat mich der Anschub aus dem Stillstand heraus überzeugt – die hohe Durchzugskraft des Elektromotors ist absolut faszinierend!” Rein elektrisch rollt das Fahrzeug immer dann an, wenn der Energiespeicher im Heck einen festgelegten Ladungsstand nicht unterschreitet. Da die Ladung über Nacht dem System erhalten bleibt und nicht verloren geht, wird insbesondere in verkehrsberuhigten Zonen ein unschlagbarer Vorteil geboten: Lautlos bewegt sich der Porsche durch die (Vor-)Städte, die früh am Morgen vielleicht noch schlafen. Nicht nur Norbert Heisterkamp dürfte interessieren, dass der Panamera S Hybrid der zweiten Generation noch einmal eine doppelt so starke Elektromaschine erhalten wird. Die Evolution wird also weitergehen!
Bleibt die Schlussfrage, welcher Betriebszustand denn nun am ehesten zu dem Koloss aus Leipzip passt. Die Antwort muss lauten: kein spezifischer, denn der Panamera S Hybrid brilliert in sämtlichen Lebenslagen! Obendrein besteht er in der Essener Messe den ultimativen Parkhaustest mit einer Betonsäule auf Höhe der Fahrertür. Dank der Parksensoren in allen vier Himmelsrichtungen – auch an den Seiten – ist beulenfreies Einparken auch auf engstem Raum möglich. Das geht erstaunlich stressfrei vor sich, denn sämtliche Bedienungselemente sind problemlos erreichbar und in ihrer Funktion über jeden Zweifel erhaben. Die Königsdisziplin dieses Wanderers zwischen den mobilen Welten ist jedoch das rein elektrische, fast schon meditative Dahingleiten. Es mag manchem wie eine Flucht aus der Realität erscheinen, doch es ist, was es ist: ein Gegenentwurf zum hektischen Treiben in unseren Metropolen. Und wer jetzt an Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig oder gar München denken muss, dem sei versichert: Auch am Rande des Ruhrgebiets, im katholisch-beschaulichen Münsterland oder auch im Osnabrücker Land kann es wohltuend sein, sich abgeschirmt zu fühlen von all dem, was uns dort umgibt. Noch einmal zurück an den Ausgangspunkt unserer kleinen Geschichte, und auf das Zechengelände mit dem allzu wuchtigen Malakoffturm im Hintergrund! Der Mann im Orange der städitischen Saubermänner ist längst weitergezogen, als das Handy klingelt. Der Anrufer spricht Schwäbisch, wenn es nicht gerade in der Leitung krächzt. “Do isch die Porsche AG, mir wollet därer Teschtwage zum Abhole komme!”, kündigt er an. Da ist er wieder, der Boden der Tatsachen! An dieser Stelle – kein Geheimnis, daher ohne Farbwechsel im Gesicht des Chronisten zugegeben – sei es festgehalten: Wir haben uns den Panamera S Hybrid nur ausgeliehen. Aus brennendem Interesse an der (Elektro-)Mobilität und natürlich auch, um einzutauchen in all die ausgreifende Faszination, die nur ein Porsche zu bieten imstande ist. Schön war´s – auch wenn längst nicht jeder den Elfer erkennt im großen Leisetreter aus Sachsen. Das muss doch auch gar nicht sein.
Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome Netzwerkeins