Veröffentlicht am: 3. Sep. 2020 um 09:34 Uhr Bearbeiten
Seine Kreationen waren ihrer Zeit oft weit voraus. Oder sie gewannen große, bedeutende Rennen: die 24 Stunden von Le Mans am 10. Juni 1979 zum Beispiel. Formschön waren sie alle, und zum überwiegenden Teil basierten sie auf dem Porsche 911. Noch vor 15 Jahren interpretierten die jeweils aktuelle Neunelfer-Generation. Aber auch Exoten wie zwei Lamborghini Gallardo gehören zum umfangreichen Werkverzeichnis eines Mannes, der im Designatelier der Kölner Ford-Werke zu seiner großen Karriere aufbrach. Sein Lebensweg führte ihn aus einer Doppelgarage im Bergischen Land hinaus auf die Siegerstraßen in aller Welt. Am 3. September feiert Ekkehard Zimmermann seinen 80. Geburtstag. Carsten Krome, seit mehr als drei Jahrzehnten mit dem Antoni Gaudí der (vornehmlich gläsernen) Fasern persönlich bekannt und befreundet, zeichnet das Portrait eines Baumeisters, der im Gegensatz zu seinem spanischen Pendant keine Kathedralen erschuf. Vielmehr waren Schönheit und Schnelligkeit seine Ausdrucksformen.
Skulpturen lassen sich aus allen erdenklichen Materialien erschaffen. Ekkehard Zimmermann, ein Antoni Gaudí der (vornehmlich gläsernen) Fasern, weiß das. nur zu gut. Seine Staffelei ist seit fünf Jahrzehnten ein kleines, hölzernes Brettchen, auf dem er seine Laminate anrührt wie ein Baumeister seinen Zement. Das jüngste skulpturale Werk des legendären Designers ist gleichzeitig sein Denkmal: die Neuauflage des Porsche 935 K4, der 1981/82 in einer Auflage von nur zwei Einheiten auf den Weltmarkt kam und als die letzte Instanz des Porsche 911 im Rennbetrieb angesehen wird.
Epilog. Begegnung am Rande einer Jubiläumsfeier – 50 Jahre Kremer Racing – am 10. Februar 2012 in Köln-Ossendorf.
‘Schreib’ doch nicht immer über mich, ich sei ein Kunststoff-Designer – Designer, einfach Designer, das reicht doch auch!’ Der Mann, der das am 10. Februar 2012 einfordert, steht in einer Rennwerkstatt in Ossendorf, einem Stadtteil von Köln. Hinter ihm steht, wie absichtlich dort geparkt, eine Rennsport-Legende. Zum Vaillant-grünen Kremer-Porsche 935 K2, mit dem der Elsässer Bob Wollek sofort bei seinem Einstand am 1. Mai 1977 das Eifelrennen auf dem Nürburgring gewinnt, aber nicht die Deutsche Automobil-Rennsportmeisterschaft 1977, hegt Zimmermann eine besondere Beziehung. Er hat die Karosserie im Auftrag von Porsche Kremer Racing seinerzeit erschaffen, und nun steht er inmitten der kürzlich erst bezogenen Werkstatträume von Kremer. 2012 feiern die neuen Eigentümer 50-jähriges Bestehen, 1962 ist der Traditions-Rennstall auf Erfolgskurs gegangen. Mitte der siebziger Jahre nehmen die Gründer Erwin und Manfred Kremer geschäftliche Beziehungen zu Ekkehard Zimmermann auf. Zunächst beschränkt sich die Zusammenarbeit auf Detaillösungen wie eine Verbreiterung der hinteren Radläufe am Porsche 911 der F-Serie.
1976 entstehen erste Lösungen für den Vorläufer des Kremer-Porsche 935 K2, der Logik folgend als 935 K1 bezeichnet. Nur drei Jahre später, im Juni 1979, schließt sich mit dem Kremer-Porsche 935 K3 der erfolgreichste Produktions-Rennwagen seiner Zeit an, in Fachkreisen wird er als ‘Wunderauto’ gepriesen. Damit triumphiert Klaus Ludwig im Schulterschluss mit den US-Amerikanern Don und Bill Whittington bei den 24 Stunden von Le Mans 1979. 1981 erfolgt der nächste Paukenschlag mit dem Kremer-935 K4, 1982 schließlich ein weiteres Kremer-Großprojekt von geradezu epochaler Bedeutung: der aus dem Porsche 936 hervorgegangene Porsche CK5 mit einer Karosserie, die mindestens zwei Dekaden zu früh ins Rennen geht. Stefan Bellof aus Gießen nimmt mit dieser Gruppe-C-Flunder als Juniorpartner von Rolf Stommelen am 5. September 1982 erstmals an einem Endurance-Weltmeisterschaftslauf teil – in Spa-Francorchamps, wo er drei Jahre später sein viel zu junges Leben lässt. Es ist eine eskalierende, wilde, gefährliche Ära, aus der Ekkehard Zimmermann 1983 aussteigt. Fortan widmet er sich Nachhaltigerem: Straßenfahrzeugen mit er ihm eigenen Formensprache. Sein Credo: Die Räder müssen aus allen Blickwinkeln zu hundert Prozent abgedeckt sein, und die Radien der Kotflügel müssen für ihn wie von Künstlerhand gezogen werden: schwungvoll, dynamisch. Zimmermann, am 3. September im Sternzeichen der Jungfrau zur Welt gekommen, lebt diesen Anspruch mit aller Konsequenz. Der Porsche 935 dp II setzt nicht nur als ein exklusives Straßencoupé Akzente, sondern ab 1985 auch wieder im Rennsport – diesmal zunächst in der zweiten Reihe. Das ändert sich beim 24-Stunden-Rennen 1987 auf der Nürburgring-Nordschleife, als Profi Franz Konrad ein eigenes Exemplar zu schnellsten Rennrunde peitscht.
Szenenwechsel: 2. Mai 2017, in einem Modellbau-Atelier in Immekeppel, einem Stadtteil von Overath bei Köln. Was Kevelaer ist für die Katholiken oder La Sagrada Familia – von Antoni Gaudí erschaffen –für multisensuell Erleuchtete, das ist dieses kleine Straßendorf für Automobilsten. Es ist bekannt, dass die Fassade von dp Motorsport geradezu wie ein Sperrriegel über dem östlichen Ortsausgang steht – das Reich der Zimmermänner, Vater Ekkehard und Sohn Patrick praktizieren hier draußen. Im geheimer Mission schleifen sie seit Monaten an ihrer Reinkarnation des Kremer-Porsche 935 K4, der radikalsten Variante des Porsche Nummer 911. Abermals handelt es sich um einen Kremer-Auftrag, lediglich die Namen der Akteure haben gewechselt. Seit August 2010 steht Eberhard Baunach am Ruder. Der Rennsport-begeisterte Bankbetriebswirt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Legende lebendig zu erhalten. Dazu gehört eben auch ein Replikat des K4, von dem ursprünglich ganze zwei Exemplare entstanden sind. Die originalen Formen ließen Erwin und Manfred Kremer nach dem Auslaufen der Gruppe 5 irgendwann entsorgen – sehr zum Verdruss der heutigen Akteure, die sich Stück für Stück durch alte Fotografien arbeiten und das kleinste Detail dem Vorbild entsprechend noch einmal nachbilden. Mit derselben Detailtiefe nahm sich Ekkehard Zimmermann einer alten Modellbau-Karosserie an, die auf gelben Fuchs-Felgen seit Mitte der neunziger Jahre in seiner Werkhalle stand. Eigentlich hatte aus ihr eine Hommage an den Porsche Carrera RS 3.0 entstehen sollen, doch ein anfangs interessierter Kunde sprang plötzlich ab. Da auch noch andere Arbeitsaufträge zu erledigen waren, diente das 1976er Gehäuse vorerst als Matritze für den laufenden Formenbau. Dabei hatte es durchaus eine Geschichte vorzuweisen – und einen ONS-Wagenpass aufgrund eines Vorlebens im Slalomsport. Der legendäre Wolfgang Rupp, 1996 verstorben, kaufte das Chassis einem seiner Rennbetreuungs-Kunden ab und vermittelte es an Ekkehard Zimmermann weiter. Der schnappte sich seine hölzerne Farbpalette mit dem intensiv duftenden Laminat, formte, modellierte, schliff und verwarf wieder.
Magische Formen – unter diesem Motto stand Ende 2011 schon einmal ein ähnliches Leichtbau-Projekt in der Gewichtsklasse minus 900 Kilogramm, das Ekkehard Zimmermann und Sohn Patrick gemeinsam realisierten. Die Konturen des mattweiß lackierten Coupés entsprachen weitgehend jenen des Porsche Carrera RS 3.0, das Fahrzeug war insgesamt von elektrisierender Schönheit. Nach der Fertigstellung besann sich der Senior seiner letzten im Betrieb befindlichen Modellbau-Karosserie, eines Saugmotors mit der mechanischen Einspritzung und um die 360 PS, seines ONS-Wagenpasses, seiner Vorgeschichte. In ihm reifte ein Entschluss: Aus all diesen Zutaten sollte das endgültige Meisterwerk erwachsen, die Ultima Ratio am Schlusspunkt seines Lebenswerks. Und wieder tat er genau das, was er seit den frühesten Siebzigern aus Leidenschaft tut: formen, modellieren, schleifen und wieder verwerfen. Ihm ging es um allerfeinste Radien, um vollständig abgedeckte Räder – um Schönheit. Zum guten Schluss vergingen mehr als fünf Jahre, ehe Vater und Sohn vereinzelte Bilder zeigten. Auf den ersten Blick war einmal mehr der Carrera RS 3.0 zitiert worden. Doch die Kotflügel waren nicht nur auf jeder Seite einen Zentimeter breiter, auch die Konturen unterschieden sich maßgeblich. So folgten die Kotflügelkanten dem negativen Sturz der Räder, viele Trennspalten sind noch einmal überarbeitet worden, im Detail sind Anleihen beim Porsche 959 zu erkennen. Wie aus einem Guss zeigte sich die Dachpartie, die nicht allein ihrer Regenrinnen entledigt worden ist. Die Kunststoff-Seitenscheiben und das Heckfenster: bündig verklebt. 1989 führte Zimmermann diese Bauweise über seinen Porsche 935 dp II ein, um die Aerodynamik weiter zu verbessern. Durch die überbreiten Kotflügel vorgegeben, waren auch die umgeschweißten Fuchs-Schmiedefelgen üppig ausgefallen. Vorn sind sie neun Zoll breit, an der Hinterachse dreizehn Zoll.
Auch wenn die äußere Form definiert war und keiner Präzisierung bedurfte: Die fünf Projektjahre, – oder waren es doch sechs? – die zwischenzeitlich ins Land gegangen waren, nahmen Vater und Sohn Zimmermann als gegeben hin. Eine erste Kaufofferte vermittelte ihnen eine vage Vorstellung vom Stellenwert ihres Einzelstücks. ‘Da lag auf einmal ein unmoralisch gutes Angebot auf dem Tisch’, erzählt Ekkehard Zimmermann. ‘Ich musste mich erst einmal setzen, um Luft zu holen. Nach einiger Bedenkzeit wurde mir bewusst, dass es besser sein würde, erst einmal abzuwarten und gar nichts zu unternehmen’. Es ist anzunehmen, dass die rote Schönheit als letztes Straßenfahrzeug im 47 Jahre währenden Wirken des Antoni Gaudí der (vornehmlich gläsernen) Fasern in die Geschichte eingehen wird. Die Ähnlichkeit mit ‘dem Ecki’ ist kaum zu übersehen, und kreativ sind beide auf ihre sehr spezielle Art gewesen. Dass umtriebige Geister wie sie nicht einfach aufhören können, liegt auf der Hand. Und so schreitet der letzte Schliff an der Neufassung des Kremer-Porsche 935 K4 weiter voran – Endpunkt einer 1973 eingeleiteten Unternehmergeschichte.
Sohn Patrick Zimmermann (38) vertritt die nachrückende Generation, er wirkte auch an beiden Großbaustellen aktiv mit, bekennt jedoch: ‘Das sind Vaters Herzensangelegenheiten’ – und so hat er ihm den Vortritt gelassen. Er wusste stets, dass es nicht nur darum gegangen ist, unvergängliche Formen sprechen zu lassen. Vielmehr ging es um größere Ganze. Es galt, noch einmal Maßstäbe zu setzen, denn am 3. September 2020 wird gefeiert. Ekkehard Zimmermann, der Couturier – Maßschneider – von Rennfahrer-Denkmälern wie Rolf Stommelen, Bob Wollek oder Stefan Bellof, hat runden Geburtstag. Er, der inzwischen das Lebenstempo spürbar reduziert hat, wird 80 Jahre alt. Ob sich ein Lieblingsauto unter all seinen Kreationen befände, wird er dieser Tage immer wieder gefragt. Mit leuchtenden Augen spricht er dann von dem Rennsportwagen, der er vor drei Jahren ein zweites Mal aus eigener Hand modelliert hat: den Kremer-Porsche 935 K4. Es heißt, das dritte jemals gefertigte Exemplar werde in nicht allzu ferner Zukunft zum ersten Rolltest ausrücken – ein Ereignis für die Ewigkeit, und das in vielerlei Hinsicht. Bis dahin möge der Jubilar bei bester Gesundheit bleiben: Herzlichen Glückwunsch, lieber Ekkehard Zimmermann!
Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome Netzwerkeins
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