Mit gerade einmal 40 Lenzen gehört Roland Jakobs zu den jüngeren Semestern im Starterfeld der Rennsportserie „Tourenwagen Legenden“. 1981 in den Niederlanden zur Welt gekommen, nahm er dennoch den guten Geist des klassischen Racings mit Großserien-Fahrzeugen in sich auf. Schon früh führte er sich die Automobil-Magazine seiner Eltern zu Gemüte – und entdeckte als Kind den „Sechzehnventiler“ von Mercedes-Benz für sich. Und als dann auch noch die Fernsehübertragungen von der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft die gute Stube zuhause in Eindhoven mit Leben füllten, war der weitere Weg vorgezeichnet. Im vergangenen Jahr feierte der Weitgereiste seinen Einstand in einer Szene, die er als „Großes Kino“ bezeichnet. Seine Devise lautet: You can’t beat the (DTM-)feeling!
Das Elternhaus im niederländischen Eindhoven, die Freundin und den (derzeitigen) Beruf in Frankfurt am Main, den Rennwagen aus Schweden – und demnächst ein Umzug, zurück nach Helmond in die Niederlande, dazwischen Roadtrips mit automobilen Klassikern quer durch Europa: Es fällt nicht schwer, Roland Jakobs als einen Cosmopolitan zu bezeichnen. Der 40-Jährige verdient in der hessischen Bankenmetropole seinen Lebensunterhalt als Global Key Account Manager bei einem Automobilzulieferer. Auch wenn er vorhat, demnächst wieder in seinem Geburtsland zu wohnen, so ist er doch davon überzeugt, dass Staatsgrenzen heute nicht mehr existieren. Gleich nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre zog es ihn 2006 als erste berufliche Station nach Frankreich. Dort entdeckte er auch den ersten „Sechzehnventiler“ für sich, einen günstig erworbenen Mercedes-Benz 190 E 2.3-16. „Der war für heutige Verhältnisse extrem günstig, da habe ich zugeschlagen“, erzählt Roland Jakobs. „Ich habe ein bisschen Geld investiert, um meinen Traumwagen in Neuzustand zu versetzen. Ja – und dann bin ich damit quer durch Europa auf einen Roadtrip gefahren.“ Das Erlebnis war offenbar nachdrücklich genug, um 2012 einen zweiten 190er, diesmal einen Evo 1, zu erwerben. Abermals erwies sich der Kauf als ein gutes Geschäft zur rechten Zeit, später zogen die Marktpreise für gut erhaltene „Baby Benz“ ganz erheblich an.
Was blieb, war der Traum vom eigenen Renntourenwagen – die Saat der Eltern war früh aufgegangen. „Meine Eltern hatten eine Autowerkstatt“, weiß Roland Jakobs zu berichten, „bei uns zuhause lag immer eine Auswahl aktueller Automagazine auf dem Wohnzimmertisch – die habe ich mir natürlich schon als kleiner Junge geschnappt und dabei meine späteren Favoriten entdeckt.“ Besonders der Typ W 201 von Mercedes-Benz, der am 8. Dezember 1982 vorgestellte 190er, hatte es ihm angetan. „Ich war natürlich noch klein, aber dann wurde die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft ab 1988 auch bei uns in Holland im Fernsehen übertragen“, erinnert er sich. „und da entdeckte ich meine Helden in den AMG-Mercedes. Für mich stellte sich da eine Lebensweiche, ich wollte dieses DTM-Feeling eines Tages selbst erleben – aber nicht als Zuschauer, sondern nach Möglichkeit am Steuer eines echten Renntourenwagens.“ Ganz so einfach in die Tat umzusetzen war das natürlich nicht: Als Roland Jakobs seinen 20. Geburtstag feierte, war der erste Lebensabschnitt der DTM Geschichte. Statt des viertürigen „Sechzehnventilers“ aus Affalterbach, dem Standort des Mercedes-Haustuners AMG, gab nun mit dem CLK ein schnittiges Achtzylinder-Coupé den Ton im Tourenwagen-Rennsport an: ein Arbeitsgerät für bezahlte Berufs-Rennfahrer, nichts für junge Leute ohne den entsprechenden Hintergrund im Kart- oder Formelsport. 2009 jedoch zeichnete sich ein Silberstreif am Horizont ab. Mit dem neu geschaffenen „Tourenwagen Revival“ war es wieder möglich, sich mit DTM-Klassikern zumindest an Gleichmäßigkeitsprüfungen zu beteiligen – und Roland Jakobs war gleich zu Beginn bei einem Korso über die legendäre Nürburgring-Nordschleife mit von der Partie.
Kurze Zeit später legte er sich einen dritten 190er als Aufbauprojekt zu. Doch der Plan, daraus einen eigenen Renntourenwagen entstehen zu lassen, blieb irgendwo zwischen Frankfurt/Main und dem Projektstandort in den Niederlanden stecken – die freie Zeit war zu knapp, um wirklich konsequent voranzukommen. Verheißungsvoller war da schon der Besuch in 2010 in der Tiefgarage eines befreundeten Schweden. Mikael Lindkvist hatte in jahrelanger Detailarbeit einen Evo 1 zu einer Replika des ab Mitte 1989 in der DTM eingesetzten AMG-Werkswagens aufgebaut. Dem Statement Car fehlten noch einige Detailverbesserungen, die bei Thorsten Stadler in Hann.Münden umgesetzt werden sollten. Und dort kam es 2019 zur zweiten Begegnung mit dem schwedischen Sonderaufbau und schließlich zum Kauf. Das angefangene, unvollendete Projekt verkaufte Roland Jakobs weiter. Mit dem Neuerwerb gab er zehn Jahre nach dem Korso über die Nordschleife seinen Einstand als Fahrer beim „Tourenwagen Revival“ im August in Zandvoort und anschließend im Oktober 2019 auf dem Nürburgring. Bei dichtem Nebel drehte er mehr oder weniger als Solist auf dem Grand-Prix-Kurs seine Runden – die meisten anderen Teilnehmer hofften schon früh an den Boxen auf bessere Sichtverhältnisse. Jakobs jedoch fuhr und fuhr – um der Trainingskilometer willen. „Für mich war das großes Kino, und ich bin eben Vielfahrer durch und durch“, blickt er zurück und lacht, „mir war außerdem bewusst, dass dies eine gute Vorbereitung auf meinen Einstieg bei den Tourenwagen Legenden sein würde – nach dem großen Kino nun also das ganz große Kino.“ 2020 bestritt er im Feld der DTM-Klassiker seine erste volle Saison und war am Ziel seiner Träume angelangt. Auf Anhieb kam er in der Klasse 2 auf den beachtlichen dritten Rang in der Jahres-Endabrechnung.
„Mit 270 PS bin ich relativ bescheiden unterwegs“, reflektiert Roland Jakobs, „mit größerem Einsatz an Material und Geld wären höhere Dreh- und PS-Zahlen möglich. Aber ich habe eine Flachschieber-Einspritzanlage und damit dieses einzigartige Ansauggeräusch, das Dir das echte DTM-Feeling gibt!“ Überhaupt, das DTM-Feeling: Es ist dem „legendären“ Senkrechtstarter ungemein wichtig. „Ich will nicht mit meinem Auto durch einen Gemischtwarenladen fahren, sondern ausschließlich Autos um mich herum haben, die genau diesem Zeitabschnitt entsprechen – und das bieten seit 2019 nur die Tourenwagen Legenden. Außerdem starten wir sechsmal im Rahmen der heutigen DTM – da passt das Feeling auf jeden Fall!“ Seine Prognose für das bevorstehende Jahr: aus dem dritten Klassenrang vielleicht einen zweiten machen – oder sogar …
Carsten Krome, netzwerkeins GmbH, mit Bildern von Farid Wagner, pitwall media