Fans und Freunde der DTM in ihrer klassischen Form mögen sich an die Saison 1989 erinnern, an den BMW M3 E30 – und an Dieter Quester. Der Österreicher, 1983 Tourenwagen-Europameister, startete in jenem Jahr im Zakspeed-Team und kam mit 127 Meisterschaftspunkten auf den 15. Platz – immerhin, denn 48 Fahrerinnen und Fahrer sicherten sich mindestens einen DTM-Zähler. Ein 1989 im DTM-Programm genutztes Original-Fahrzeug von Dieter Quester beflügelt heute eine bayerische Motorsport-Familie, zu der ein zweifacher DTM-Champion der Neuzeit gehört. Denn Marco Wittmann, im Produktionsjahr des M3, 1989 also, zur Welt gekommen, sicherte sich und seinem Arbeitgeber BMW 2014 und 2016 den Titelgewinn. Er wird auch im bevorstehenden DTM-Jahr an den Start gehen, während ihn sein Vater Herbert (58) und sein jüngerer Bruder Nico (28) bei den Rennen tatkräftig unterstützen. Sie tun dies auf besondere Weise: Sie fahren selbst Rennen bei der DTM Classic – im BMW M3 mit etwas mehr als 300 PS.
Handwerk hat goldenen Boden. Diese alte Volksweisheit beherzigt auch der zweifache DTM-Champion Marco Wittmann. Obwohl der 31-Jährige im neunten Jahr in der DTM an den Start geht, ist er regelmäßig auch im elterlichen Karosseriebau-Betrieb in Fürth anzutreffen. Vater Herbert Wittmann (58) ist nicht nur der Kopf des mittelfränkischen Familienunternehmens, sondern auch die Antriebskraft hinter einem Motorsport-Team, das zwei Generationen Hobby-Rennfahrer miteinander verbindet. Während Marco Wittmann weiterhin seine Profi-Karriere verfolgt, treten Herbert und Nico Wittmann (28) mit einem BMW M3 der Baureihe E30 bei den Tourenwagen Legenden an – um dem diesjährigen Piloten des Walkenhorst-BMW M6 GT3 nahe zu sein und nebenbei selbst Spaß am Lenkrad zu haben. Dreh- und Angelpunkt der außergewöhnlichen Konstellation ist ein ehemaliges Test- und Einsatzchassis aus dem DTM-Jahr 1989, das seinerzeit vom Österreicher Dieter Quester pilotiert worden ist. Mit Einführung des BMW M3 Sport Evolution 1990 erhielt das Fahrzeug alle damaligen Updates – bis auf den Motor, es blieb bei der 2,3-Liter-Version. Später ging das Auto an Herbert Wittmann, der es in den einstigen BMW-Werksfarben beließ. Als leidenschaftlicher Handwerker übernahm der die technische Vorbereitung selbst, abgesehen vom nach wie vor 2.300 ccm großen Vierzylinder-Vierventiler vorn unter der Motorhaube. Einmal im Jahr bringt Wittmann Senior den Treibsatz zur Vorbereitung auf die Saison ins Allgäu. Dort, wo einst Ludwig Linder einen BMW-Rennstall in der DTM betrieb, revidiert inzwischen Uwe Scharr, einer der Mitarbeiter damals, das dreh- und klangfreudige Aggregat mit der Typbezeichnung S14. „Das schätze ich so sehr an der 2.3-Liter-Version“, weiß der ehemalige Bergrennfahrer zu berichten, „das Triebwerk läuft ein ganzes Jahr ohne Überholung, wenn man es nicht übertreibt – da verzichte ich gern auf ein paar PS Höchstleistung.“
Ursprünglich entstanden ist die Idee des Rennen fahrenden Familienteams im klassischen BMW M3 zuhause am Norisring. „Der MCN – das steht für Motorsportclub Nürnberg – hatte ein gewisses Interesse daran“, erzählt Herbert Wittmann, „schließlich sind wir in unmittelbarer Nachbarschaft, in Fürth, zuhause. Und so haben wir den Impuls, dass die drei Wittmänner bei unserem Heimspiel in Nürnberg allesamt im Einsatz sind, sehr gerne aufgegriffen und unseren M3 startklar gemacht.“ Die Familie, deren gute Seele Mutter Angelika ist, lebt Sportsgeist, und das macht sie schon sehr lange, auf erfrischend authentische Weise. „Damals, als Marco dreizehn war und wir bereits auf internationaler Ebene Erfolg im Kartsport hatten, zeichnete sich der weitere Weg allmählich ab“, erzählt der junggebliebene Senior, „auch wenn wir nie zu den Eltern gehörten, die ihre Kinder als die kommenden Weltmeister angepriesen hätten – das ergab sich ab 2007 von ganz allein.“ Damals überreichte ihm Willy Weber, Michael Schumachers langjähriger Manager, seine Visitenkarte, verbunden mit einer Einladung in sein Büro nach Stuttgart. Es folgten der harte, klassische Weg durch die Nachwuchsformeln des Automobilsports und 2012 schließlich die Aufnahme ins BMW-Werksteam. Der Rest ist Geschichte, die Familie hat stets vor Ort Anteil daran genommen. In diesem Jahr setzt sich der gemeinsame Weg fort: Vater und Bruder fahren außerdem ihre Rennen im BMW M3, der in Marcos Geburtsjahr 1989 entstanden ist. Bei den Tourenwagen Legenden haben sie bei sechs diesjährigen DTM-Anlässen Gelegenheit, dem gemeinsamen Spaß am Motorsport zu frönen. Ambitionen? „Schauen wir erst einmal, in welcher Klasse wir schlussendlich einsortiert werden“, sagt der Süddeutsche, „Hauptsache, wir sind alle zusammen am selben Platz“. Nur Marco Wittmann wird sich, auf den familieneigenen M3 bezogen, vorerst aufs Daumendrücken beschränken müssen – er ist an sein Fahrprogramm in der heutigen DTM gebunden und überlasst seinem drei Jahre jüngeren Bruder Nico den Platz an der Seite seines Vaters im M3. Mögliches Motto: It’s a family affair.
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