Ring-Fuchs Olaf Manthey musste ein Vierteljahrhundert auf den Triumph beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring warten. Im Juni 2006 war er schließlich an der Reihe. Zwölf Monate später triumphierte der Zwirbelbart zum zweiten Mal. Mit dem GT3-RSR auf 997-Basis waren Marc Lieb, Timo Bernhard, Romain Dumas und Marcel Tiemann in ihrer eigenen Kategorie unterwegs. Nur Wetterkapriolen hätten den Sieg vereiteln können. Der Start musste wegen eines Wolkenbruchs verschoben werden. Nachts erzwang Nebel eine Unterbrechung.
Wer beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gewinnen will, muss auf das richtige Pferd setzen. Im Juni des vergangenen Jahres freuten sich alle diejenigen, die Olaf Manthey die Daumen gedrückt hatten. Nach 25 vergeblichen Anläufen war dem Rennstallbesitzer endlich der ganz große Triumph vergönnt gewesen. Sein in Eigenregie entwickelter GT3-MR auf 996-Basis stellte obendrein einen Rekord auf. Nie zuvor war ein Siegerwagen schneller durch die Grüne Hölle geeilt. Und dennoch: Die Ablösung stand bereits in den Startlöchern. Der 911 GT3-RSR brachte die neue Modellreihe 997 in den Langstrecken-Rennsport ein. Olaf Manthey führte im Werksauftrag Regie bei der Premiere. Zwei Exemplare starteten zu den 24 Stunden von Spa-Francorchamps 2006 und erreichten das Ziel. Dass Manthey umsatteln würde, stand spätestens zu diesem Zeitpunkt fest. Mit dem Aachener Christian Haarmann fand der bestehende GT3-MR einen Käufer.
Das Unternehmen Zukunft konnte beginnen. Wer außer Mantheys GT3-RSR mit Werksunterstützung sollte überhaupt siegfähig sein? Das zuverlässigste Trendbarometer: die Langstrecken-Meisterschaft auf dem Nürburgring. Fünf Wertungsläufe standen vor dem 24-Stunden-Rennen auf dem Kalender, bildeten die erste Saisonhälfte. Die Spitzenteams traten in geschlossener Formation an – zur Vorbereitung auf das Großereignis. Ausgerechnet der neue Manthey-Porsche erwies sich als kurzatmig, blieb immer wieder stehen. Wolfgang Land sprang gern in die Bresche. Mit dem Vorgängermodell 996 GT3-RSR sicherte sich der Westerwälder Siege in Serie. Postwendend machte eine Theorie ihre Runde. Sie besagte, Lands Erfolge seien nicht allein auf Zuverlässigkeit zurückzuführen. Luftwiderstand, Topspeed und auch Rundenzeiten des Alten seien besser, hieß es.
Zwei Wochen vor dem Marathon zweimal rund um die Uhr konterte Manthey. Im fünften Wertungslauf zur Langstrecken-Meisterschaft kam der 997 GT3-RSR nicht nur über die Distanz. Er gewann auch das Rennen. Wo war Wolfgang Land? Der Geheimfavorit verzichtete der auf den Einsatz des 996 GT3-RSR. Statt dessen ließ er seinen Motor vom Porsche-Kundensport auf die 24-Stunden-Hatz vorbereiten. Viele Trümpfe schienen auf Lands Seite zu liegen. War der Ausfall des GT3-RSR modernster Machart allenfalls eine Frage der Zeit? Theoretiker verließen sich darauf, übersahen jedoch Wesentliches: Mantheys Methode nämlich. Die sieht vor, bestimmte Komponenten erst nach Erreichen jeweiliger Bruchgrenzen auszutauschen. So könne deren genaue Standzeit ermittelt werden, dozierte der Routinier einmal. Waren Defekte im Vorfeld der 24 Stunden am Ende willkommen? Äußerlich zeigte sich der Ring-Fuchs ungerührt. Selbst Rufe nach einem Comeback des Siegerwagens aus dem Vorjahr ließ er verhallen und blieb bei seiner einmal gefällten Entscheidung. Was sich unter der 997-Hülle und vor allem an der Unterseite des Wagens tat, wissen nur wenige.
Möglich, dass Erkenntnisse und Komponenten aus dem 996 GT3-MR den Vorzug erhielten. Zentraler Aspekt dürfte die Verkleidung des Unterbodens gewesen sein. Der Diffusor am Heck unterschied sich maßgeblich von den anderen drei 997 GT3-RSR. Wie dem auch sei – bei Manthey in Meuspath war mit gewohnter Raffinesse gearbeitet worden. Auf Fahrerseite waren zwei Abgänge zu vermelden. Die Vorjahressieger Mike Rockenfeller und Lucas Luhr verließen den Porsche-Kader, um für Audi in Le Mans antreten zu können. Dort fielen sie nach drei Runden aus. Statt dessen kamen Marc Lieb und der Franzose Romain Dumas an Bord. Marcel Tiemann und Timo Bernhard repräsentierten die Erfolgstruppe von 2006. Dies sollte sich nicht als Nachteil erweisen. Marc Lieb hatte 2005 die Nürburgring-Nordschleife kennengelernt. Dumas holte dies im Vorfeld der 24 Stunden nach. Im Qualifying setzte Timo Bernhard die Bestzeit: 8:39,560 Minuten. Der etwas schnellere Referenzwert aus dem Vorjahr: 8:38,136 Minuten, vorgelegt im 996 GT3-MR. Zwischen den Neunelfer-Generationen war annähernder Gleichstand erreicht – zumindest im direkten Vergleich der Manthey-Rennversionen.
Mit Marc Basseng, Frank Stippler, Dirk Adorf und Marc Hennerici war der Land-Porsche mehr als gut besetzt. 5,222 Sekunden Rückstand auf Timo Bernhards Vorlage ergaben Startplatz drei. In absoluten Zahlen: 8:44,782 Minuten, fünf Sekunden schneller als 2006. Ein Antriebswellenschaden im Training löste Unruhe aus. Währenddessen konnte es sich Olaf Manthey leisten, mit seiner Renate in der Box silberne Hochzeit zu feiern. Solche Szenen mögen den Druck im Lager der Verfolger erhöht haben. Es kam noch dicker Tage vor dem Start kursierten Meldungen, in der Eifel sei mit schweren Hagelstürmen zu rechnen. Sie übertrafen die Sintflut von 2005, als das Starterfeld während der Einführungsrunden davonzuschwimmen drohte. Die Rennleitung verschob die Freigabe um beinahe zwei Stunden. Am Samstag ging es erst kurz vor 17.00 Uhr los. Auf nasser Fahrbahn wählte das Manthey-Quartett die optimale Reifenmischung. Land vergriff sich und geriet sofort ins Hintertreffen. Niemand ahnte, dass die Partie gelaufen sein würde. Der grün-gelbe 997 ließ sich nur zweimal den Schneid abkaufen. Nach dem Start führte Altmeister Klaus Ludwig im Aston Martin des ehemaligen Porsche-Werksteams Phoenix Racing. Nach drei Runden wechselte Uwe Alzen im Cayman als Erster auf Slicks und übernahm die Spitze.
Beide Ereignisse blieben bedeutungslos. Am Aston Martin mit Klaus Ludwig/Marcel Fässler/Sascha Bert/Robert Lechner fiel die Ölpumpe aus. Der Alzen-Cayman kam durch, erreichte den vierten Rang. Mehr war für den Herausforderer nicht zu holen. Im Rennen ließen Manthey und Land Rundenzeiten um 8:50 Minuten notieren, Alzen kam auf 9:02 Minuten. Mit zwölf Sekunden Rückstand pro Runde fiel der Performance-Unterschied deutlich aus. Dieselben Kräfteverhältnisse bestanden im Training, als Uwe Alzen 8:51 Minuten vorlegte – zwölf Sekunden langsamer als Timo Bernhard im Manthey-GT3 RSR. Der neu aufgebaute Cayman mit 3,8 Liter großem Sechszylinder-Boxer sollte die Elfer-Fraktion durch ideale Gewichtsverteilung ärgern. Motor und konventionelle H-Schaltung entsprachen weitgehend dem letztjährigen 997-Eigenbau. 2006 erlaubte dasselbe Paket im aktuellen Carrera-Gehäuse eine um zwei Sekunden schnellere Qualifikationszeit. 8:49,143 Minuten erreichte der “Little Nelly” getaufte Carrera damals. Ankommen lautete die Devise der Cayman-Besatzung Uwe Alzen/Jürgen Alzen/Chris Mamerow/Christian Menzel.
Gegen Mitternacht quoll dichter Nebel aus dem Ahrtal herauf. Die Sicht verschlechterte sich im Handumdrehen. Schließlich zog die Rennleitung die Notbremse und unterbrach um 3:54 Uhr den Wettbewerb. Bei Tagesanbruch ging es weiter. Geschickt nutzte Manthey die Zwangspause zum großen Service. Durch den später eingesparten Boxenhalt bauten Tiemann/Bernhard/Dumas/Lieb ihren Vorsprung weiter aus. Land musste alles auf eine Karte setzen. Die Order an seinen Top-Fahrer Basseng lautete: noch einmal angreifen! In seinem Eifer touchierte Basseng das Heck des Spitzenreiters und beschädigte seinen Wasserkühler. Die Reparatur verschlang weitere Zeit. Der GT3-RSR spulte ein 24-Stunden-Rennen ab, das 18 Stunden dauerte. Olaf Manthey sah dem zweiten Sieg beim Ring-Marathon entgegen. 25 Jahre hatte er auf den ersten warten müssen und nun erneut das Glück auf seiner Seite. Land fiel hinter die Zakspeed-Viper an Position drei zurück. Diese Rangfolge blieb bis ins Ziel unangetastet.
Hätten die fehlenden sechs Stunden die Ereignisse noch auf den Kopf stellen können? Davon ist kaum auszugehen. Das Manthey-Quartett verfügte über ein komfortables Polster. Eine Runde betrug der Vorsprung auf die Zakspeed-Viper, 5:18 Minuten dahinter folgte Land. Die klare Erkenntnis: Wer die Grüne Hölle erobern will, muss auf das richtige Pferd im richtigen Stall setzen. Am 997 GT3-RSR dürfte in Zukunft kein Weg vorbeiführen. Andererseits ist er kein Erfolgsgarant. Das musste Franz Konrad erkennen. Der Teambesitzer brachte ein brandneues Exemplar in die Eifel. Nach einer halben Rennrunde lag es stark beschädigt in den Leitplanken. Am “Adenauer Forst” war Konrads Star- und Startfahrer Patrick Huisman die Straße ausgegangen – das frühe Aus!
© Carsten Krome Netzwerkeins
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