Derek Reginald Bell MBE, einer der erfolgreichsten Werkspiloten der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, feierte am 31. Oktober 2020 seinen 80. Geburtstag. Der 1941 in Pinner in der englischen Grafschaft Middlesex, Großbritannien, geborene Rennfahrer gilt als einer der vielseitigsten und beliebtesten Vertreter seiner Zeit. Matthias Müller, damals Vorsitzender des Vorstands der Porsche AG, äußerte vor zehn Jahren über den 70-jährigen Jubilar: “Derek Bell hat mit Porsche Motorsportgeschichte geschrieben. Egal ob 917, 936, 956 oder 962 C – er war immer einer der schnellsten und vor allem zuverlässigsten Fahrer. Viermal hat Derek Bell für Porsche die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Zweimal holte er den Endurance-Weltmeistertitel. Dafür gebührt ihm unser Dank und großer Respekt.“ Mit dem Haus Porsche steht Derek Bell bis heute in gutem Kontakt. Keine Frage, dass Derek Bell auch auf den Straßen seiner südenglischen Heimat einem “indisch”-roten 924 GTS aus dem Jahr seines zweiten Le-Mans-Sieges stets die Treue gehalten hat: Meilensteine einer großen Karriere.
Derek Bells Liebe zum “indisch”-roten 924 GTS kommt nicht von ungefähr, schließlich pflegt Derek Bell zum Frontmotor-Konzept eine besondere Beziehung. 1980, mit dem 39. Geburtstag in Sichtweite, war der Sieger der 24 Stunden von Le Mans 1975 als Edelreservist für den Amerikaner Peter Gregg im Porsche 924 Carrera GTP des Werksteams eingesprungen. Der Engländer musste kurzfristig aktiviert werden, um Peter Gregg nach einem Verkehrsunfall in Frankreich zu ersetzen. Dabei kam ihm zugute, dass er im Frühjahr 1980 an den Abstimmungsfahrten in Le Castellet mitgewirkt hatte. Derek Bell und Al Holbert kämpften sich, vom 34. Startplatz kommend, durch den schweren französischen Landregen. Sie profitierten von der ausgewogenen Gewichtsverteilung des Transaxle-Konzeptes. Mit ihren 320 PS von der Papierform her unterlegen, tauchten sie nach sieben Stunden unter den ersten zehn des Gesamtklassements auf. Porsche-Rennleiter Manfred Jantke erklärte, frühestens nach 15 Stunden damit gerechnet zu haben. Nach überstandener Nacht schlug die Defekthexe am Sonntagmorgen zu. Am Audi-Motor streikte ein Auslassventil. Mit drei Zylindern und Leistungsverlust retteten sich Bell und Holbert als 13. ins Ziel. Porsche lernte den Mann von der Insel als einen Ruhepol im Team schätzen.
Verlässlichkeit, tadellose Umgangsformen und ein stilles Anerkenntnis der jeweiligen Nummer eins im Kader waren seine Stärken. Diese Tugenden bahnten ihm 1981 den Weg in einen Siegerwagen, den Porsche 936/81 Spyder mit der Chassis-Endnummer 003. Das drei Jahre zuvor erstmals bei den 24 Stunden von Le Mans eingesetzte Gitterrohrrahmen-Fahrgestell durfte noch einmal aus dem Werksmuseum geholt und mit dem Vierventil-Motor aus Ted Fields Interscope-Indycar-Projekt bestückt werden. Die damit verbundene Erweiterung des Hubraums von 2,1 auf 2,6 Liter und die Partnerschaft mit dem Belgier Jacky Ickx führten zu einem Durchmarsch beim Langstrecken-Klassiker. Für Derek Bell war es sechs Jahre nach dem ersten Triumph – auf John Wyers Gulf-Mirage mit einem Ford-Motor – der zweite Erfolg an der Sarthe. Von diesem Augenblick an war Derek Bell fest etabliert in der Porsche-Werksmannschaft. 1982 verbuchte er den Le-Mans-Sieg Nummer drei – mit Jacky Ickx im 956.002 Gruppe C.
1983 formierte Porsche-Rennleiter Peter Falk eine der berühmtesten Fahrerpaarungen der Neuzeit. Der inzwischen 42-jährige Bell teilte sich mit dem 25-jährigen Gießener Stefan Bellof einen 956 C. Ein Zitat aus dieser Epoche: “Wie gut, dass ich mich in meinem Alter auf einen Jungen wie Stefan stützen kann!” Bellof revanchierte sich 1984 mit dem Titel des Endurance-Weltmeisters – und verabschiedete sich aus dem Werksteam. In Hans-Joachim “Strietzel” Stuck erhielt Derek Bell einen nicht minder talentierten Mit-Fahrer. Das neue Traumpaar errang auf Anhieb die Endurance-Weltmeisterschaft und verteidigte diesen Titel in der darauf folgenden Saison. Darüber hinaus brachten die Jahre 1986 und ‘87 weitere Le-Mans-Erfolge auf Porsche 962 C. Parallel ließ sich Derek Bell von US-amerikanischen Rennställen für die IMSA-Serie verpflichten. Sein letzter großer Coup datiert auf das Jahr 1989 zurück. Mit Bob Wollek und John Andretti gewann der Routinier das 24-Stunden-Rennen von Daytona im US-Bundesstaat Florida. Das Arbeitsgerät: ein in Gold und Weiß gewandetes Derivat des Porsche 962. Beim “Amelia Island Concours d’Elegance” 2007 versammelte Organisationschef Bill Warner diesen und andere bedeutende Original-Wagen aus Derek Bells Rennfahrerleben auf dem Rasen des Ritz-Carlton-Resorts bei Jacksonville. Als wäre dies nicht schon Auszeichnung genug gewesen, ernannte Warner den Briten mit zweitem Wohnsitz im US-Bundesstaat Florida zum Ehrenvorsitzenden der Veranstaltung.
Seinen Berufsweg schlug Derek Bell 1964 auf Lotus ein. In der Formel 1 ging er 1969 für Ferrari an den Start. Für John Wyers legendäres Team JW Automotive steuerte er in der Saison 1971 die Porsche-Rennwagen 917 sowie 908/03 und bildete zusammen mit Jo Siffert ein schlagkräftiges Duo. Dann jedoch verunglückte der Schweizer am 24. Oktober 1971 in Brands Hatch tödlich – der erste schwere Einschnitt. Noch einmal kam der Tod bedrohlich nahe. Am 24. April 1983 teilte Bell sich in Riverside mit dem Kölner Rolf Stommelen die Nachfertigung des Porsche 935/78. John Fitzpatrick, Fahrer und Rennstallbesitzer in Personalunion, hatte “Moby Dick” 1982 in Auftrag gegeben und für dieses eine Rennen, einem Lauf zur IMSA-Serie, mit Rolf Stommelen und Derek Bell besetzt. Gemeinsam sicherten sie sich den zweiten Startplatz. Dann traf den Deutschen das Schicksal: Bei 320 km/h löste sich der weiter nach oben versetzte Heckflügel. Der 39-Jährige war chancenlos. Er starb, während Bell/Fitzpatrick im Kremer-Porsche 935 K4-001 einem Sieg ohne Glanz entgegen fuhren. Auch die gefährliche Zeit der Gruppe C überstand der fünffache Le-Mans-Sieger unbeschadet.
1994 genoss er im ersten Kremer-Porsche K8 Spyder noch einmal Führungsrunden auf dem Hochgeschwindigkeitskurs im Westen Frankreichs, wie selbstverständlich wusste er einen Porsche-Motor aus dem 962 C in seinem Rücken. Und sogar Gulf war noch einmal als Hauptsponsor des Kölschen Cabrios mit von der Partie. 1995 hatte Derek Bell den sechsten Erfolg auf dem Fuß. 18 Stunden lagen der zu diesem Zeitpunkt 53-Jährige, sein Sohn Justin Bell und Andy Wallace mit dem gelben Harrod’s-McLaren F1 GTR in Front. Als das Getriebe nicht mehr mitspielte, steckte die Mannschaft zurück und begnügte sich mit dem dritten Platz. Auf einem seriennahen Audi des US-amerikanischen Champion Racing Teams von Dave Maraj erlebte Derek Bells 44 Jahre währende Dienstzeit als aktiver Rennfahrer schließlich ihren Ausklang. Während die Todestage vieler seiner Berufskollegen runde Jubiläen erreicht haben, hat er vor allem eins: überlebt, und das bei guter Gesundheit.
Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome, Netzwerkeins GmbH
Original-Archivbilder: Carsten Krome, Netzwerkeins GmbH
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