1976-935-670-002-R15-Porsche-AG-Nürburgring-Marken-Weltmeisterschaft-Manfred-Schurti

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Vor 45 Jahren begann die Erfolgsgeschichte des Porsche 935, der als “Kreissäge” zu Ruhm und Ehren gelangte. Weil allein schon das Zahlenspiel – 45 Jahre 935 – einer Würdigung bedarf, gedenken wir der Anfänge im Marken-Weltmeisterschaftsjahr 1976. Richtig in Fahrt kam der “Fünfunddreißiger” am 30. Mai 1976 auf dem Nürburgring noch nicht. Als Folge einer kurzfristig von der FIA veranlassten Änderung des Ladeluftsystems fiel er aus. Beim 1.000-Kilometer-Rennen präsentierten die Porsche-Werkspiloten erstmals eine nach vorn abfallende Frontpartie, die ohne die “Torpedorohre” des 911 auskam. Der “Flachschnauzer” war geboren. Die Werks-Mitarbeiter Elmar Willrett und Rolf Sprenger konservierten ihn als Werks-Flachbau unter dem Gütesiegel “Porsche Exclusive” für die Ewigkeit.

“Einfach eine geile Zeit”: 1976 begann die Ära der Spezial-Produktionswagen.

Jürgen Neuhaus, Porsche 934/76, Chassisnummer 930 670 0155, Original-Fotografie zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung von Ekkehard Zimmermann, dp Motorsport, im März 2010

Jürgen Neuhaus, Porsche 934/76, Chassis 930 670 0155, Original-Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG

Gruppe 5. Jedem Automobilfreund, der sich mit der Materie halbwegs auskennt, zaubert der Gedanke an die 1976 eingeführte Spezial-Produktionswagen-Formel ein Lächeln ins Gesicht. Waren das Zeiten! Porsche und BMW bekriegten sich in der Marken-Weltmeisterschaft, auf nationaler Ebene kam Ford mit Tuner Zakspeed in der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft als dritte Kraft dazu. Es war nicht nur die Vielfalt der Automobil-Hersteller, die sich dem Wettbewerb stellten. Es waren auch Charakterköpfe – Fahrer, Rennleiter, Tuner, Teambesitzer und Funktionäre – die die Szene prägten. Die Autos waren von Anfang an spektakulär, später drifteten sie ins allzu Extreme ab und wurden unbezahlbar. Die Genies unter den Konstrukteuren nutzten die kleinsten Unklarheiten im technischen Regelwerk zu ihren Gunsten aus.

Jürgen Neuhaus, Porsche 934/76, Chassisnummer 930 670 0155, Original-Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG

Jürgen Neuhaus, Porsche 934/76, Chassis 930 670 0155, Original-Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG

In dieser Hinsicht war auf Porsche-Seiten der Ingenieur Norbert Singer das Gehirn hinter dem Einsatz in der Gruppe 5. Auf der Grundlage des 1974 noch in der Prototypenklasse gestarteten RSR turbo 2,1 entwarf er eine Rennausführung des 930 turbo 3,0. Um die Kategorie, der diese Schöpfung zuzuordnen war, in die Namensgebung einfließen zu lassen, ersetzte er die Null durch eine Fünf. Aus 930 wurde 935, aus 260 PS gut 590 bei 7.900/min. 2.857 ccm betrug der Hubraum, auf 100 Rennkilometern verbrauchte das Sechszylinder-Triebwerk durchschnittlich 52 Liter Superbenzin. Im ersten Jahr der neuen Gruppe 5 lagen Kunden-Fahrzeuge noch in weiter Ferne. Porsche konzentrierte sich auf den Bedarf des werkseigenen Martini Racing Teams. Ein Prototyp entstand, der sich im Nachhinein als vergleichsweise konventionell erwies. Der Wagenboden und die Form der vorderen Kotflügel entsprachen der Serie. Der Heckflügel baute auf dem Motordeckel des 930 turbo auf. Die – vergrößerte – Einlassöffnung in der Motorhaube, die beim 930er die Klimaanlage anströmte, barg ein Geheimnis. Darunter befand sich ein länglicher Luft-Ladeluftkühler, den die FIA-Kommissare aufgrund des Platzbedarfs beanstandeten.

Die Luft-Ladeluftkühlung bewährte sich bei den 24 Stunden von Le Mans 1974 im RSR turbo 2,1. Gijs van Lennep und Herbert Müller erreichten so den zweiten Platz. Der kastenförmige Ladeluftkühler beanspruchte zusätzlichen Raum im Motordeckel. Beim RSR turbo 2,1 nahm niemand Anstoß daran, da dieser Werkswagen wie erwähnt bei den Prototypen mitrollte. Das 1976 eingeführte FIA-Reglement der Gruppe 5 orientierte sich stärker an der Serie. Die Original-Türen und Hauben mussten montiert werden können. Beim 935 mit Luft-Ladeluftkühler war das aber nicht möglich. Die FIA-Offiziellen präzisierten am 9. April 1976 das technische Reglement und forderten eine Änderung. Für die Umsetzung gewährten sie eine Frist von fünf Wochen. Porsche belastete der kurzfristige Entwicklungsaufwand mit einer halben Million D-Mark. Die Lösung lag in einem Luft-Wasser-Wärmetauscher, der sich im hinteren linken Kotflügel unterbringen ließ. Um auf der Beifahrerseite ein Gegengewicht zu schaffen, wanderte der Kühler für das Getriebeöl in den rechten hinteren Kotflügel. Folgten die hinteren Seitenteile anfangs noch der rundlichen Elfer-Kontur und damit den “Backen” des RSR turbo 2,1 von 1974, nahmen die Kotflügel nun rechteckige Formen an. Rein subjektiv vermittelten die Piloten den Eindruck, das Ansprechverhalten des Motor habe sich durch das erzwungene Luft-Wasser-System verschlechtert. Außerdem kam es während der Übergangsphase zu Problemen und Ausfällen. 1979 bugsierten die listigen Gebrüder Kremer das Luft-Luft-System wieder an Bord ihres 935 K3. 1976 waren sie noch nicht so weit. Zu dieser Zeit legte die Frontpartie ihre Torpedorohr-förmigen Lampenhörner ab. Dem lag die Erkenntnis zugrunde, dass die Fronthaube von den Lampenhörnern regelrecht abgeschirmt worden war. Das ließ den Vorderwagen empfindlich auf Seitenwind reagieren. Porsche wandte einen Trick an und bildete die beiden vorderen Kotflügel und die Bugverkleidung als ein zusammenhängendes Teil aus. Folglich deklarierte Norbert Singers Mitarbeiterstab die flache Schnauze als integrativen Bestandteil der Kotflügel. Mit ihrer Argumentation setzten sich die Schwaben durch. Vielleicht war es auch nur ein Zugeständnis nach all dem Ärger um die Ladeluftkühlung.

Silverstone am 9. Mai 1976: Eigentlich sollten Jochen Mass und Jacky Ickx mit der flachen Schnauze ausrücken. Diese wurde in England auch vorgeführt, doch die Schwaben hatten vorsorglich noch eine weiterentwickelte Ausführung mit Lampenhörnern dabei. Im Training reklamierte Hobby-Seefahrer und Formel-1-Pilot Mass, der Flachbau produziere zu starken aerodynamischen Abtrieb an der Vorderachse. Überhaupt war die Balance im ersten Jahr der Gruppe 5 ein heikles Thema. Die Reifenbreiten werden limitiert, was die Techniker des Porsche-Zulieferers Dunlop auf eine schlichte, aber wirkungsvolle Idee kommen ließ. Um die Auflagefläche der überbreiten Gummiwalzen des RSR turbo 2,1 beibehalten zu können, bauten sie die schmaleren Reifen des 935ers nun in die Höhe. An der Hinterachse führte dies zu mächtigen 19-Zoll-Pneus, während an der Vorderachse 16 Zoll das bevorzugte Maß waren. Jochen Mass setzte in Silverstone die Rückführung des Vorderwagens durch. Er und Jacky Ickx gingen noch einmal mit der altehrwürdigen Neunelfer-Silhouette ins Rennen. Erst auf dem Nürburgring, beim 1.000-Kilometer-Rennen über die Nordschleife, schlug die Stunde der flachen Schnauze.

Rolf Stommelen, Porsche 935/77, Chassisnummer 930 770 0911, Original-Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG

Rolf Stommelen, Porsche 935/77, Chassisnummer 930 770 0911, Original-Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG

Am 30. Mai 1976 kam ein Werksfahrer zum Zuge, der bereits am 4. April 1976 dem Porsche 936 auf dem Eifelkurs zu seiner Feuertaufe verholfen hatte: Rolf Stommelen, Lockenkopf aus Köln mit einem Hang zu Sonderaufgaben. Er und Manfred Schurti aus Liechtenstein schoben Scheinwerfer vor sich her, die hinter kleinen, runden Deckgläsern unten in der Bugschürze angeordnet waren. Das Design des 935ers war damit festgelegt: vorne flach, an den Seiten kantig und hinten dem vorgegebenen Serien-Heckdeckel des 930 turbo folgend. Das Heimspiel beim deutschen Marken-Weltmeisterschaftslauf geriet durch die hektisch eingeleiteten Umbauarbeiten im Motorumfeld aber zu einem mittelschweren Desaster. Erprobungszeit war keine gegeben. So erzeugte das noch nicht voll abgestimmte Turbo-Aggregat im Teillastbereich starke Vibrationen, die schließlich zum Verschleiß des Verteilerantriebs, des Verteilerfingers und zum Ausfall führten.

Text: Carsten Krome, netzwerkeins GmbH

Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG; Carsten Krome Netzwerkeins

Im zweiten Teil: Nur zwei Wochen Vorbereitungszeit bis zu den 24 Stunden von Le Mans – warum es für Porsche ein Segen war, dass der Langstrecken-Klassiker an der Sarthe 1976 nicht zur Marken-Weltmeisterschaft zählte.