Jürgen Barth, der heute seinen 77. Geburtstag feiert, ist einer der profiliertesten Kenner und Mitgestalter der Porsche-Materie im Rennsport. Als er am 12. Juni 1977 die 24 Stunden von Le Mans am Volant des Werks-Porsche 936 mit der Fahrgestell-Endnummer 001 gewann, war er gerade einmal 29 Jahre alt. Doch nicht erst zu dieser Zeit galt der Sohn von Edgar Barth als technisch sehr versiert. Ihm konnte man zutrauen, einen waidwunden 2,1-Liter-Turbomotor, der nicht mehr auf allen Zylindern lief, entgegen aller Erwartungen ins Ziel zu tragen – was ihm tatsächlich gelang. Diese Heldentat und der nicht minder überraschende Triumph beim 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring am 25. Mai 1980 festigten Jürgen Barths Ruf, einer der besten Sportwagenpiloten der Welt zu sein. Auch heute hat der nun 77-Jährige viel zu sagen, wie das Interview anlässlich des Porsche-Werkseinsatzes bei den 24 Stunden von Le Mans 1980 mit dem 924 GTR zeigt.

Am 14. und 15. Juni 1980, fanden die 48. 24 Stunden von Le Mans statt. Für Porsche war es ein in vieler Hinsicht wegweisendes Ereignis. Denn mit der Weltpremiere des 924 Carrera GTP sollte ein Ausblick auf die Zeitrechnung nach dem 911 gegeben werden. Professor Dr. Ing. Ernst Fuhrmann, zu diesem Zeitpunkt (noch) Vorstandsvorsitzender, gab den Einsatz dreier Werkswagen teil. Jeder repräsentierte eine andere Nation – oder einen anderen Markt, ganz wie man will. Und so entsandten Deutschland, Großbritannien und die USA Länderteams. Die Gestaltung der Fahrzeuge entsprach den jeweiligen Nationalflaggen. Die Besetzung des “deutschen” 924 Carrera GTP war etwas irreführend: Neben Jürgen Barth aus Bietigheim nahm der Liechtensteiner Manfred Schurti im Porsche mit 320-PS-Frontmotor Platz. Doch die zu Beginn der achtziger Jahre tonangebenden Porsche 935 turbo konnten bei Bedarf bis zu 800 PS abrufen. Eine ganze Armada dieser “Kreissägen” bewarb sich um die Wiederholung des Le-Mans-Sieges von 1979. Am Ende lag aber nur ein einziger vor dem besten 924 Carrera GTP. Als erklärte Außenseiter gestartet, übertrafen Barth/Schurti auf Platz sechs nicht nur die beiden anderen 924 Carrera GTP, sondern auch alle Erwartungen. Im Interview erinnert Jürgen Barth, Jahrgang 1947, an Meilensteine der Porsche-Geschichte.

Jürgen Barth, geboren am 10. Dezember 1947: “Es kommt immer auf das Auto an und auf die Zeit, in der man es fährt.”

werk1, Carsten Krome: “Jürgen Barth, vor nunmehr 42 Jahren ereigneten sich zwei bedeutende Porsche-Transaxle-Premieren. Bei den 24 Stunden von Le Mans 1980 gab der 924 Carrera GTP seinen Einstand, wenig später eine Straßenversion, der 924 Carrera GT. Dass dem Ganzen Ihr privat organisierter Rallye-Einsatz im Jahr 1979 vorausging, ist ein wenig in Vergessenheit geraten. Bestand zwischen Ihrer Pionierleistung mit dem 924 turbo und den genannten Werksprojekten eigentlich ein unmittelbarer Zusammenhang, fungierten Sie als ein Entwicklungshelfer?”

Jürgen Barth: “Der Ausgangspunkt des Rallye-Einsatzes 1979 war die Tatsache, dass das Werk in diesem Bereich nicht tätig werden wollte. Mein Porsche-Kollege Roland Kussmaul und ich fanden jedoch bei Rennleiter Peter Falk und dem 1979 zum Entwicklungsvorstand ernannten Helmuth Bott offene Ohren. Wir konnten günstig Material erwerben und es in eigener Regie einsetzen. Damit waren wir Vorreiter.”

C.K.: “Haben Sie eigentlich von Ihren Rallye-Einsätzen an die Herren Falk und Bott berichtet? Sie müssen mit dem 924 turbo Erfahrungen unter extremen Bedingungen gemacht haben!”

J.B.: “Es gab tatsächlich eine solche Geschichte! Bei der Safari Rally 1979 ging uns ein Verbindungsstück von der Transaxle-Welle zum Getriebe kaputt. Wir liessen uns vor Ort etwas einfallen und verstärkten die Schwachstelle. Zwei Wochen später ist unsere Lösung in Serie gegangen.”

C.K.: “War nach der Safari-Rally 1979 in Kenia Schluss mit Ihrem Rallye-Ambitionen?”

J.B.: “Das eigentliche Erfolgserlebnis jenes Jahres brachte uns der Repco Reliability Trial im August 1979. Roland Kussmaul und ich legten innerhalb von 14 Tagen über 20.000 Kilometer auf dem australischen Kontinent zurück. Die Einheimischen fuhren große Limousinen wie den Holden, in denen teilweise drei Piloten saßen, die sich auf diesem Ritt ablösen konnten. Unser 924 turbo liess nur zwei Insassen zu, Roland und ich mussten die Strecke zu zweit bewältigen. Trotzdem belegten wir den neunten Gesamtrang und gewannen gleichzeitig unsere Klasse. Das war der erste internationale Klassensieg eines Porsche 924.”

C.K.: “Wie kann man sich diese Fernfahrt vorstellen? Ging es auf asphaltierten Straßen einmal rund um den Kontinent?”

J.B.: “Wir sind 20.000 Kilometer auf Schotter gefahren. Einmal haben wir uns dabei überschlagen und ich brach mir die Hand. Mit bandagierter Hand ging es dann weiter.”

C.K.: “Der Repco Reliability Trial fand im August 1979 statt. Im Februar 1980 – nur sechs Monate später – begannen die für die Öffentlichkeit sichtbaren Testfahrten der Le-Mans-Version 924 Carrera GTP. Bedeutet dieser straffe Zeitplan, dass das eine mit dem anderen wenig zu tun hatte?”

J.B.: “Beim 924 Carrera GTP handelte es sich um eine reine Werksentwicklung. Unsere Ideen aus dem 924 turbo wirkten sich an anderer Stelle aus, nämlich auf den ersten Vorläufer der Serienversion 924 Carrera GT. Diesen Vorläufer – oder sagen wir Versuchsträger – mit der Chassis-Endnummer 001 bekam ich eines Tages von Professor Fuhrmann geschenkt. Dieses Auto existiert bis heute. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir Überzeugungsarbeit für den 924 turbo leisteten. Auch werksintern konnten wir aufzeigen, dass dieses Auto gar nicht so schlecht war. So entstand der 924 Carrera GT.”

C.K.: “Viel ist über die ersten Testfahrten des 924 Carrera GTP in Le Castellet geschrieben worden – allein schon deshalb, weil Journalisten gezielt dorthin eingeladen wurden. Es heisst, dass tagelang am Stück getestet worden sein soll!”

J.B.: “Die meisten Abstimmungsfahrten habe ich in Weissach gemacht, in unserem eigenen Test- und Entwicklungszentrum. 1981 bewährte sich diese Vorgehensweise umso mehr, als wir mit der vollelektronisch gesteuerten Benzineinspritzung völliges Neuland betraten. Anfangs standen so gerade 500 nutzbare Umdrehungen zur Verfügung. Nach 14 Tagen hatten wir das nutzbare Drehzahlband auf 1.500 Umdrehungen ausgebaut und nahmen die 24 Stunden von Le Mans in Angriff. Mit Walter Röhrl belegte ich den siebten Gesamtrang.”

C.K.: “1981 – das war das Jahr des 944 GTR Le Mans, der sich als 924 Carrera GTP tarnte. Mit welcher Gemischaufbereitung war der 924 Carrera GTP im Jahr 1980 noch ausgerüstet?”

J.B.: “1980 fuhren wir noch mit der normalen, mechanischen Kugelfischer-Einspritzung, die wir auf dem Prüfstand speziell auf den 924 Carrera GTP abstimmten. Diese Technologie war damals ganz einfach Standard.”

C.K.: “Obwohl Sie vorhin zwischen Ihrem privaten Rallye-Einsatz und dem Werksprojekt differenziert haben, waren Sie sowohl 1980, als auch 1981 in den Le-Mans-Werkseinsatz als Fahrer involviert. Sie waren in beiden Jahren sehr erfolgreich, 1980 belegten Sie und Manfred Schurti den sechsten Gesamtrang. Machte Sie das nicht zu einem gefragten Testpiloten?”

J.B.: “Ich hatte wenig Zeit! Ich koordinierte den Kundensport und musste halt organisatorische Arbeit leisten. Abgesehen von den Testfahrten in Weissach kam ich nur gelegentlich mit den Entwicklungsfahrzeugen in Berührung. Da existierte zum Beispiel so ein schmaler, silbergrüner 924er mit der gesamten Technik des kommenden 924 Carrera GT. Das ging richtig gut zur Sache!”

C.K.: “Bei den 24 Stunden von Le Mans 1980 war es kalt, es regnete streckenweise sehr stark. Hätten Sie bei heißerem Sommerwetter ähnlich gut abgeschnitten? Immerhin gingen bei den beiden anderen 924 Carrera GTP Ihrer Teamkollegen die Auslassventile kaputt!”

J.B.: “Es gab da ein Konstruktionsthema. Das Kühlwasser zirkulierte nicht so gut im Zylinderkopf. In der Serie ist das später abgeändert worden. Ausserdem gab es ein Problem mit den Ölabstreifringen. Unser Auto produzierte Öl, statt welches zu verbrauchen. Bei Sonne hätten wir weiter hinten gelegen. So kam uns der Regen zugute. Es lag manchmal kriminell viel Wasser auf der Strecke. Einmal habe ich sogar Jacky Ickx mit dem 908/80 von Reinhold Joest überholt. Der konnte einfach nicht schneller fahren mit seinen breiten Reifen. Unsere relativ schmalen Räder haben uns bei dem Hochwasser ganz sicher geholfen.”

C.K.: “Also eitel Sonnenschein trotz des französischen Landregens?”

J.B.: “Es gab auch eine Anekdote, die ich nicht ganz so lustig fand. Der Manfred Schurti schwitzte immer sehr viel. Immer wenn ich das Auto übernahm, fand ich einen klatschnassen Sitz vor. Ich habe während des Rennens einen Schraubenzieher in die Sitzschale gehauen, damit das Schwitzwasser ablaufen konnte.”

C.K.: “Die Transaxle-Porsche, über die wir hier reden, sollten ein Vorgriff auf die Zukunft sein. 1983 waren sie zumindest in Le Mans wieder verschwunden. Was passierte da hinter den Kulissen?”

C.K.: “Peter Falk, Roland Kussmaul und ich plädierten für die kommende Gruppe B, die 1982 eingeführt wurde. Helmuth Bott aber wollte den 959 machen, daran führte kein Weg vorbei.”

C.K.: “Zumindest im Kundensport hielten sich die 924 Carrera GTR noch eine Weile. Über die Stückzahlen wird jedoch gern gestritten – wie viele waren es denn nun wirklich?”

J.B.: “Wir verkauften 17 Fahrzeuge an Kunden, eins haben wir sogar zurückgenommen. Das steht heute in einem Museum. Weiter verbreitet war der 924 Carrera GTS mit 59 Einheiten einschliesslich der Clubsport-Ausführungen.”

C.K.: “Handelte es sich bei all diesen Rennausführungen um handgefertigte Karosserien?”

J.B.: “Die Karosserien wurden ganz normal aus der Produktion in Neckarsulm angeliefert und bei uns in Weissach umgebaut.”

C.K.: “1977 haben Sie die 24 Stunden von Le Mans mit dem 936 turbo gewonnen. War der kleinere 924 Carrera GTR mit seinen 320 PS nicht ein Rückschritt im Vergleich zum 540-PS-Spyder?”

J.B.: “Es kommt auf das Auto an und auf die Zeit, in der man es fährt. Jedes Auto war gut und manchmal auch speziell. Ein von der Serie abgeleiteter 924 war sicher nicht mit einem offenen, reinrassigen Prototypen wie dem 936er zu vergleichen.”

C.K.: “Mit dem 936 turbo, Ihrem Le-Mans-Siegerfahrzeugtyp, pflegen Sie offenbar ein besonderes Verhältnis. Exakt jenes Auto, das Jacky Ickx und Reinhold Joest 1980 in Le Mans steuerten, haben Sie später nochmals bewegt!”

J.B.: “2004 und 2008 haben Jean-Marc Luco und ich jeweils bei den Le Mans Classic den Gesamtsieg eingefahren.”

C.K.: “Schlussfrage – war das Kapitel 924 Carrera GTP oder GTR – so hieß die Kundenversion – nach den Werkseinsätzen für Sie passé?”

J.B.: “Überhaupt nicht, im Gegenteil! Es gab noch eine tolle Geschichte bei den zwölf Stunden von Sebring im März 1982. Der Amerikaner Jim Busby kaufte zwei 924 Carrera GTR und stellte sie auf Straßenreifen seines Sponsors BF Goodrich, also quasi Michelin. Das war eine Riesen-Gaudi mit den Serienreifen. Man konnte die ganze Zeit quer fahren und driften. Für mich war das ein großartiger Schlusspunkt.”

C.K.: “Jürgen Barth, vielen Dank für das offene Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Ihren vielfältigen Aktivitäten!”

Das Gespräch führte Carsten Krome

Fotografie: Privatarchiv Jürgen Barth