Unser Ostergeschenk an alle Fans der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft und des DTM Classic Cups: ein langer, 35 Minuten umfassender Streifzug durch die Geschichte des Opel-Engagements bis hin zum Gesamtsieg des Astra V8 DTM-Coupés beim 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife vor bald 20 Jahren, im Juni 2003. Aufgenommen haben wir die große Aufarbeitung des Tourenwagen-Rennsports mit Opel vor weniger als drei Wochen bei Automotive Testing in Papenburg – selbstverständlich mit einem stimmungsvollen Talk, zu dem auch Volker Strycek, der erste DTM-Champ aller Zeiten, mit spürbarer Begeisterung beigetragen hat.
Generell hat die Arbeit an diesem Film besonders viel Freude gemacht – ein herzliches Dankeschön an Steffan Irmler, Christian Thaler, Gerhard Müller, Petra Pollmann und an den unermüdlichen Produzenten Marc Freye! Viel Spaß beim Zuschauen …
… und bis zum nächsten Mal bin ich
Ihr und Euer
Carsten Krome – und ich bin raus, dankeschön!
Erstes Kapitel. Tief im Westen. Die Vorgeschichte.
1988 steht die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) in voller Blüte. Ford, BMW und Mercedes-Benz kämpfen um den Titelgewinn in der ersten Bundesliga des Rennsports, sie liefern sich ein Gefecht mit allen verfügbaren Mitteln. Dasselbe gilt für die beteiligten Reifenhersteller. Sie legen ein ähnlich umgebremstes Entwicklungstempo vor wie die Automobilmarken, die sie beliefern. In dieses Klima tritt ein Außenseiter ein, dem anfangs nur wenige Chancen eingeräumt werden: Opel.
Der kompakte Kadett E GSi erhält im Sommer 1988 einen 150 PS leistenden Vierventilmotor in der Serie. Das Pendant für die DTM kommt auf 280 PS, was auf die Künste eines Oberhauseners zurückzuführen ist, der als ein Meister seines Fachs gilt. Helmut Kissling genießt zu dieser Zeit fast Kultstatus. Sein Betrieb im Stadtteil Buschhausen liegt an einer Straße, die einen überaus treffenden Namen trägt: Zum Eisenhammer. Hier treibt Kissling die Entwicklung seines offiziell 150.000 D-Mark teuren Fronttrieblers voran, den mit Heinz-Friedrich Peil, kurz „Bimbo“, ein Mann aus der Nachbarschaft pilotiert.
Eine spätere Schlüsselperson des Opel-Auftritts in der DTM sitzt zu dieser Zeit in einem privaten BMW M3: Volker Strycek aus Bochum, 1984 der erste Champion der Deutschen Produktionswagen-Meisterschaft, aus der zwei Jahre später die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft hervorgeht.
Zweites Kapitel. Das Comeback. Drei Jahrzehnte später.
1990 gehen letztmals zwei Opel Kadett GSi 16V in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft an den Start. Der Münchner Peter Oberndorfer und der letzte DDR-Rundstreckenmeister Klaus Gohlke sind die Piloten. Längst liegt das Hauptaugenmerk auf dem neuen Omega, der als viertürige Limousine den Rückstand auf BMW, Audi und Mercedes-Benz – Ford ist nach der Saison 1989 ausgestiegen – verkürzen soll. Der scheidende Kadett schlägt sich wacker, auch wenn Neuzugang Gohlke auf der Berliner Avus gleich einen Totalschaden zu verzeichnen hat.
30 Jahre später besinnt sich der Rennen fahrende Zerspanungs-Techniker Steffan Irmler aus Drebber in Niedersachsen all dieser Zusammenhänge. Unweit der Rennstadt Diepholz aufgewachsen, sammelt er noch vor dem Erwerb des Führerscheins Mitte der achtziger Jahre die ersten Erfahrungen als Rennmechaniker im Tourenwagen-Team des Allgäuers Ludwig Linder. Dessen BMW 325i Gruppe A zieren graue Diagonalstreifen auf weißem Grund. Als Steffan Irmler 1991 einen eigenhändig aufgebauten Opel Corsa A für den Veedol-Langstreckenpokal auf der Nürburgring-Nordschleife präsentiert, ist dieser ganz genauso lackiert wie das berühmte Vorbild.
Ein Vierteljahrhundert vergeht, ehe Steffan Irmler, inzwischen selbständiger Unternehmer, mit einem Opel Astra Supertouring im historischen Tourenwagen-Rennsport antritt – oft mit Volker Strycek als Partner. Und so reift ein Plan, der 2020 Formen annimmt: ein Kadett Gruppe A soll 30 Jahre nach dem Abschied aus der DTM von Grund auf neu aufgebaut werden.
Drittes Kapitel. Der Neuaufbau. Das Abenteuer beginnt.
Mit seinem Projekt Opel Kadett GSi 16V verfolgt Steffan Irmler eine denkbar einfache Philosophie: Seine Rekreation soll bis ins Detail dem Vorbild entsprechen. Vier Ausflüge auf die britische Insel 2019 bestätigen seine Denkweise. Im Dunlop Saloon Car Cup startet er mit einem originalen Irmscher-Opel Vectra Supertouring und trifft dabei auf viele Gleichgesinnte, die genau wie er nur eins wollen: historischen Tourenwagen-Rennsport mit Fahrzeugen, die genauso aufgebaut sind wie zu ihrer Urzeit.
Zurück in Deutschland, besorgt Steffan Irmler so ziemlich alles zum Thema DTM-Kadett, was er auftreiben kann: Kontruktionspläne, Baumuster, neue und alte Teile. Währenddessen nimmt die Karosserie Formen an. Auch für sie gilt derselbe Grundsatz: Sie soll exakt nach dem 1988 gültigen Reglement aufgebaut werden. Das bedeutet: ohne später nachhomologierte Weiterentwicklungen, die – rein sportlich betrachtet – vielleicht von Vorteil sein könnten. Auch im Chassisbereich und auf dem Auspuffsektor ist nur genau das erlaubt, was zur Glanzzeit des kleinen Herausforderers aus dem Hause Opel gültiger Stand der Technik gewesen ist.
2022 ist das Ensemble schließlich rollfähig. Nach einem Funktionstest auf dem Handlingskurs von Automotive Testing Papenburg, kurz ATP, geht es zum Oldtimer-Grand-Prix an den Nürburgring. Doch auf dem Eifelkurs zeigt sich schon früh, dass noch etwas mehr Feinschliff vonnöten ist. Was das betrifft, kann Steffan Irmler auf mehr als 30 Jahre Erfahrung und ein entsprechendes Netzwerk zurückgreifen.
Viertes Kapitel. Klassentreffen in Papenburg. Wiedersehen macht Freun(n)de.
Während Steffan Irmler die Wintersaison nutzt, um am Kadett vor allem noch einmal den Motor neu zu konfigurieren, biegt die Restaurierung eines anderen, legendären Kissling-Opel in die Zielgerade ein. Jahrelang treiben der ehemalige Radweltmeister Klaus-Peter Thaler und sein Sohn Christian die Restaurierung eines ebenfalls 1988 im Veedol-Langstreckenpokal eingesetzten Omega 24V voran, der in dieser Form einmalig ist und zuletzt im Besitz eines bayerischen Autolackierers gewesen ist. Zwei Kissling-Opel aus ein- und derselben Ära: Das schreit regelrecht nach einem Klassentreffen, und anlässlich der Bremen Classic Motorshow Anfang Februar 2023 verabreden sich die Beteiligten dazu.
Schauplatz soll Automotive Testing Papenburg sein, der Handlingskurs dort entspricht dem Kleinen Kurs des Hockenheimrings. Und so kommen nicht nur Steffan Irmler und Christian Thaler in Abwesenheit seines Vaters zusammen, sondern auch die einstigen DTM-Helden Volker Strycek und Gerhard Müller. Was eigentlich nur ein weiterer Funktionstest unter frühlingshaft-frischen Witterungsbedingungen werden soll, entwickelt sich in Wirklichkeit zu einer Zeitreise. Die Stimmung ist wie einst ihn den Achtzigern, als es an Donnerstagen im belgischen Zolder endlich wieder losging mit der Fahrerei auf Zeit und um Positionen. Dabei nimmt Volker Strycek auch im Kissling-Opel Omega Platz: 1990 führt er mit einem solchen Modell beim DTM-Finale auf dem Hockenheimring rundenlang das Rennen an.
Um 17.00 Uhr endet das Fahrprogramm planmäßig. Die Autos laufen klaglos, und eigentlich wären alle gern noch etwas länger geblieben. Zu sagen haben die vier Volanteure auch eine Menge – was als ein kurzes Fazit geplant war, entspinnt sich zu einem 30-minütigen Talk in einem Rennanhänger als Tonstudio – und selbst das entspricht dem guten Geist der damaligen Zeit, als manche DTM-Teams in der Box noch Erbsensuppe kochten. Aber hören Sie doch selbst!