Zum 80. Geburtstag von Georg Loos (*22. Juni 1943, +6. März 2016)

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© Privatarchiv Jürgen Barth (im Bild)

Er war der Mann des großen Auftritts. Von 1971 bis 1980 gehörten seine Porsche zu den tonangebenden im Rennzirkus. Doch als sich Georg Loos, geboren am 22. Juni 1943, nach einem Gastspiel als Nachwuchsförderer in der Formel 3 1981 aus dem Rennsport zurückzog, wurde es still um den Immobilien- und Börsen-Kaufmann. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Stuttgart – jener Stadt, wo seine 935er einst präpariert worden waren. Dort verstarb der 72-Jährige am 6. März 2016, am 13. März 2016 ist er in der Nähe von Köln beigesetzt worden. Erinnerungen an einen extremen Charakter, der bei vielen seiner Mitmenschen zwiespältige Gefühle hinterließ – und einen schallenden Ausruf, 1978 an Klaus Ludwig gerichtet: “Bube!”

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© Carsten Krome Netzwerkeins

5. Juli 1981, Großer Preis der Tourenwagen auf der „Betonschleife” des Nürburgrings: Soeben sind die elf Motoren der Division 1, die hier, beim achten Lauf zur Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft erklungen sind, wieder verstummt. Der Streckenreporter Rainer Braun ist um gute Stimmung bemüht. Er bittet einen illustren Interviewgast in die Sprecherkabine, der die einstige Renommier-Rennserie geprägt hat wie kaum ein anderer: Georg Loos. Der 38-Jährige ist mit seinem berühmt-berüchtigten „Gelo”-Rennstall nicht mehr mit von der Partie. Eine Woche zuvor, auf dem Norisring, hat er noch sein Comeback angekündigt. Manche sagen hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand: angedroht. Denn der Kölner Börsen- und Immobilienkaufmann hat nicht nur Freunde und Bewunderer. Mit seinem Porsche 935, in den allerletzten Tagen des Sportjahres 1979 in der Kundensport-Abteilung des Porsche-Werks auf Kiel gelegt, und Ex-Meister Rolf Stommelen als Fahrer will er noch einmal auf die große Bühne zurückkehren. Dann jedoch kommt es hinter den Kulissen zu einem grotesken Tauziehen, bei dem es um die Stoßdämpfer des Gruppe-5-Boliden geht. Loos will mit Koni-Dämpfern rennen lassen, Rolf Stommelen steht bei Bilstein unter Vertrag. Bilstein-Renndienstchef Hugo Emde, ein einflussreicher Mann, legt sein Veto ein, bietet auch die Umrüstung des 800-PS-Apparates an. Loos lehnt ab – nur, um eine Woche später im Interview mit Rainer Braun am Nürburgring die (halbe) Wahrheit über den plötzlichen Rückzug zu sagen. Er habe mit dem Porsche-Kundensport einmal mehr über die technische Weiterentwicklung des Porsche 935 diskutiert, lässt er sich vernehmen. Man habe ihm jedoch (wie 1979 schon einmal in einem internen Memo schriftlich dokumentiert) keinen neuen Lösungsweg anbieten können, und so habe er auf die Teilnahme am Norisring verzichtet. Den kurzfristig zurückgezogenen Einsatzwagen mit der Chassisnummer 000 00022 verkauft er an den australischen Porsche-Importeur Hamilton. Dieser setzt 1982 den Ex-Formel-1-Weltmeister Alan Jones auf die heimische Meisterschaft an und sichert sich überlegen den Titelgewinn.

Jürgen Neuhaus, Porsche 934/76, Chassisnummer 930 670 0155, Original-Fotografie zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung von Ekkehard Zimmermann, dp Motorsport, im März 2010

© Carsten Krome Netzwerkeins

Vier Jahre zuvor, am 2. Oktober 1977, sieht die Porsche-Welt noch völlig anders aus. Beim Bilstein-Supersprint auf der „Betonschleife” des Nürburgrings, dem Finallauf der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft, fährt Loos-Pilot Rolf Stommelen im feuerroten 935er dem Feld auf und davon. Titelrivale Bob Wollek im Kremer-Porsche ist chancenlos. Der feinsinnige Elsässer muss Stommelen im Stechen um die Meisterschaft den Vortritt lassen. Dabei profitiert er, der Regenspezialist, von einem Reifensatz, in den Goodyear-Renndienstchef Karl-Heinz Tibor ein spezielles Profil geschnitzt hat. Er lässt es sich anschließend patentieren. Doch weder er noch Stommelen stehen anschließend im Rampenlicht, sondern Teamchef Loos. Der lässt die Puppen tanzen – und muss dennoch mitansehen, wie Stommelen anschließend zu Toyota verschwindet. Zu dieser Zeit spielt er, der millionenschwere Geschäfts- und Lebemann, ganz oben mit. Jahr für Jahr zahlt er viel Geld an das Porsche-Werk, um seine immer wieder frisch erworbenen Kunden-Rennversionen präparieren zu lassen und auf neuestem technischem Stand zu halten. Dazu verpflichtet Loos Top-Piloten, die seinen Wagenpark an vorderster Front zu platzieren haben. Dies gilt für die Deutsche Rennsportmeisterschaft, aber auch für die Marken-Weltmeisterschaft und die 24 Stunden von Le Mans.

© Privatarchiv Jürgen Barth (im Bild)

© Privatarchiv Jürgen Barth (im Bild)

Seine eigene Karriere als Rennfahrer beendet er mit Abschluss der Saison 1975, nachdem er sich auf der Nürburgring-Nordschleife sogar in einen Porsche 917/10 turbo vorgewagt hat. Ein Glanzlicht setzt er zwei Jahre zuvor bei den 24 Stunden von Le Mans 1973, als er und Jürgen Barth einen der ersten 911 Carrera RSR mit der Fahrgestellnummer 911 360 0847 auf dem unerwartet starken zehnten Gesamtrang ins Ziel bringen. Zu dieser Zeit schon ist der rote „Gelo”-RSR – die Buchstaben-Kombination steht für Georg Loos – stets dort finden, wo auch die Kremer-Porsche aus Köln sind. Schon damals, 1973, entwickelt sich zwischen den Domstädter Nachbarn eine erbitterte Rivalität, ein Kampf auf Biegen und Brechen. 1974 steht der Modellwechsel auf den RSR 3.0 an, und wie selbstverständlich ordert Loos gleich zwei neue Autos. Er hat nun einen Sponsor, den Autopflege-Produzenten Polifac, und mit John Fitzpatrick einen weiteren Spitzenmann neben Jürgen Barth in seinem Team. Beim 1.000-Kilometer-Rennen Nürburgring gewinnen Fitzpatrick/Barth als Zwölftplatzierte der Gesamtwertung die GT-Klasse, während Loos selbst am Steuer des zweiten RSR ausfällt. Bei den 24 Stunden von Le Mans 1974 kommen beide „Gelo”-RSR nicht ins Ziel. Umso grandioser trumpft Loos ein Jahr später an gleicher Stelle auf. Er setzt drei RSR an der Sarthe ein, und der beste von ihnen meistert die lange Distanz an fünfter Gesamtposition und natürlich auch als GT-Sieger.

Rolf Stommelen, Porsche 935/77, Chassisnummer 930 770 0911, Original-Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG

© Original-Fotografie: Historisches Archiv Porsche AG

Nach seinem Rückzug als Fahrer holt Georg Loos 1976 den Eindhovener Diamantenhändler Toine Hezemans an Bord, der schon 1975 in Le Mans zum Kader gehört. Es ist das erste Jahr des Porsche 934, dem nach zwölf Monaten der 935er mit Einzellader-Motor folgt und weitere zwölf Monate später der 935/77 mit Doppellader. Stets bringt Loos das neueste Material an den Start, bis die Serie 1979 schlagartig abreißt. Während er die drei Vorjahreswagen behält, holen die Gebrüder Erwin und Manfred Kremer zum Gegenschlag aus. Wie Loos in Köln zuhause, setzen sie in eigener Regie eine technische Weiterentwicklung um. Ihr 935 K3 wird mit dem ehemaligen Loos-Kutscher Klaus Ludwig am Volant zum “Wunderauto” der Saison 1979, während die drei Gelo-Porsche bis auf eine Ausnahme hinterherfahren. Dabei wirbt Loos die bisherige Kremer-Speerspitze Bob Wollek ab. John Fitzpatrick und Manfred Schurti komplettieren den Kader, während Hezemans nach dem verlorenen Titelrennen 1978 von Bord geht. Im Spätsommer 1979 greift Georg Loos zu einem Mittel, das die Porsche-Verantwortlichen in eine Gegenreaktion zwingt: Er hält mehr als 300.000 D-Mark an vereinbarten Zahlungen zurück.

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© Carsten Krome Netzwerkeins

Der Fall wird zur Vorstandsangelegenheit, und im Dezember 1979 fällt der Beschluss, dem zunehmend schwierigeren Kunden doch noch einmal ein Neufahrzeug durch die Hintertür zu liefern. Nachdem kurz zuvor die Entscheidung bekanntgegeben worden ist, keine neuen 935er mehr zu produzieren, um die Kosteneskalation zu bremsen, wird die Causa Loos zum Politikum. Offiziell erhält Georg Loos eine vormontierte Rohkarosse, verschiedene Komponenten sowie das unter großem Zeitdruck – Kremer hat 1979 vorgelegt – angepasste System zur Kühlung der Turbo-Ladeluft mit zwei geschweißten Druckboxen. Anstelle der Luft-Wasser-Wärmetauscher ist die Luft-Luft-Technologie viel effizienter. Auch bei rapide anwachsender Betriebstemperatur bricht die Motorleistung nicht mehr um 40 bis 50 PS ein, sondern bleibt konstant erhalten. Das Luft-Luft-System findet seinen Platz in den leicht modifizierten Konturen der 1977 für das Werksteam entwickelten Karosserie-Version. Reinhold Joest, der Rolf Stommelen als Fahrer Nummer eins verpflichtet und 1979 deutliche Titelansprüche anmeldet, führt zeitgleich mit Georg Loos die neue Detaillösung aus Weissach ein. Doch nicht nur bei den Stoßdämpfern tanzt Stommelens ehemaliger Arbeitgeber aus der Reihe. Auch von der Pirelli-Bereifung, die kein anderes Spitzenteam in der Porsche-Liga verwendet, erhofft er sich einen taktischen Vorteil.

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© Carsten Krome Netzwerkeins

Doch die 1977 erfolgreich angewandte Reifen-Strategie sticht kein zweites Mal. Bob Wollek, der als einziger Stammpilot im Team verbleibt – in der Marken-Weltmeisterschaft kommen auch Manfred Schurti und Helmut Kelleners zum Einsatz – kann 1980 kaum noch Akzente setzen. Es zeigt sich, dass die Rennställe, die eigene Entwicklungsarbeit leisten, besser fahren als die zahlenden Kunden. Das muss auch Georg Loos erkennen, der seine Streitmacht bis auf den zuletzt in Dienst gestellten 935/80 verkauft. Franz Gschwender, Carlos Noce sowie Claude Haldi machen mit den drei 1978 und 1979 unter Gelo-Bewerbung gelaufenen Doppelladern weiter. So richtig fällt das niemandem auf, erst ein Vierteljahrhundert danach arbeiten Historiker die Lebensläufe der einstigen Publikumslieblinge noch einmal auf. Die plötzliche Verkleinerung des einst so schillernden Porsche-Rennstalls auf nur noch ein einzelnes Standmodell – 1981 darf der 935/80 kein einziges Mal zu einem Rennen antreten, Bob Wollek kehrt reumütig zu Kremer zurück – bleibt eine Randnotiz. Viele glauben, dass Loos kürzer tritt, um in der kommenden Gruppe C abermals im gewohnten Stil aufzutrumpfen – vielleicht ohne Porsche? Dieses Szenario tritt freilich nicht ein.

Heute vor 36 Jahren, am 1. September 1985: Er war nicht zu bremsen. Das Drama um das Jahrhundert-Talent Stefan Bellof. © Carsten Krome Netzwerkeins

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Und so ist das Schlusskapitel in der zehnjährigen Motorsport-Geschichte des einstigen Hobby-Rennfahrers einem jungen Nachwuchstalent gewidmet: Stefan Bellof. Den Kontakt zu dem hochbegabten Formel-3-Kämpfer aus Giessen stellt Rainer Braun her. Der Journalist und Streckenreporter erlebt die Auseinandersetzung der Kölner Porsche-Rennställe Kremer und Loos als Sportressort-Verantwortlicher der Auto Zeitung – ebenfalls in der Domstadt ansässig – hautnah mit. Beim Großen Preis der Tourenwagen auf der „Betonschleife” des Nürburgrings am 5. Juli 1981 erteilt er, strategisch geschickt, Georg Loos in der Sprecherkabine das Wort. Dieser gibt bekannt, Stefan Bellof als Geldgeber unter die Arme greifen zu wollen. Was er nicht sagt: Er bindet den gelernten Karosseriebauer für zwei Jahre an sich. Das Theater ist vorprogrammiert, als der ähnlich veranlagte Willy Maurer an Bellofs Tür klopft. Im Eilzugtempo steigt der 23-Jährige in die Formel 2 auf. Den in den traditionellen Gelo-Hausfarben Rot und Gelb lackierten Ralt-Formel 3 lässt er zurück. Diese unerwartet sprunghafte Entwicklung führt zu vertraglichen Differenzen. Ein letztes Mal sorgt Georg Loos in der Rennsport-Branche für Schlagzeilen, dann zieht er sich zurück. 1995 taucht er noch einmal bei der GT-BPR-Serie auf. Sofort wird der jetzt 52-Jährige mit einem Ferrari F40 in Verbindung gebracht, mit dem er angeblich in die Szene zurückkehren will. Das bleibt allerdings bloßes Wunschdenken. Kurze Zeit später nimmt ihn die Revolverpresse ins Visier. Angeblich soll er, der einstige Porsche-König, in wüste Szenarien verwickelt sein. Eine Bank beklagt den Verlust gleich mehrerer Ferrari, die zuerst beliehen und dann zu Geld gemacht worden sein sollen. Da passt es anscheinend ins Bild, dass Loos seinen Wohn- und Geschäftssitz von Köln nach Stuttgart verlegt hat. Dort, in der Porsche-Stadt, führt er ein diskreteres Leben als zu seinen großen Glanzzeiten.

© Privatarchiv Jürgen Barth (im Bild)

© Privatarchiv Jürgen Barth (im Bild)

Am 6. März 2016, im Alter von 72 Jahren, verstirbt Georg Loos in Stuttgart. Er hinterlässt seinen Sohn Alexander – und die Legende seiner meist Rot und Gelb lackierten Porsche, die allesamt wieder aufgetaucht sind. Er wird für immer unvergessen bleiben, ebenso sein schallender Ausruf, 1978 an Klaus Ludwig gerichtet: “Bube!” Wer sich im Fahrerlager auskennt, der ist dem Zitat dieser lebenslangen Verballhornung schon einmal begegnet. Irgendwo.

Verantwortlich für den Inhalt: netzwerkeins GmbH, Carsten Krome

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