Er wollte noch einmal an die längst vergangene, große Zeit der “Kreissäge” anknüpfen. So war 1981 jener Kremer-Porsche 935 K3 getauft worden, mit dem Edgar Dören aus Wuppertal um die Langstrecken-Weltmeisterschaft kämpfte. Der Privatfahrer entging dem Titel nur knapp, wurde letztlich Vierter. Seitdem entwickelte er sich zu einem volksnahen Sportsmann, den seine Fans mit jedem Jahr mehr liebten. Am 1. April 2004 verlor der inzwischen 62-Jährige den Kampf mit dem Krebs. Erinnerungen an einen Rennfahrer, der der Liebling der einfachen Leute war.
Es ist einer dieser nasskalten Samstage im Oktober 1990. Von oben droht finster der Eifelhimmel, von unten schimmert schlüpfrig das Asphaltband der Nürburgring-Nordschleife. Feuchtigkeit wabert in der Luft. Dennoch drückt sich eine Hundertschaft am verrosteten Zaun, der den Zuscherplatz entlang ”Hatzenbach“ vom Geschehen trennt. Es riecht nach Lagerfeuer wie einst im Mai. Plötzlich zuckt Leben durch die Menge. ”Edgar, schön!“, rufen sie und strecken ihre Arme zum Gruß durch den Maschendraht. Der Mann, der seinen 911 Carrera RSR gekonnt durch die Kurven zirkelt, heißt Doeren mit Nachnamen. Eine Legende im Reich der alten Raubritterburg. Vor zwei Jahren erst hat er sie alle nassgemacht, die großen Werke. Beim 24-Stunden-Rennen 1988 besiegt er BMW, Ford und Mercedes im Steinzeit-Elfer von 1973. Die Politik muss eingreifen, klassische GT-Sportwagen vom Hof jagen. Macht nichts – Edgar Doeren gewinnt den Veedol-Langstreckenpokal als neue Heimat. Hier fühlt er sich zuhause, kann den Wohlbestallten auch mit ganz schmalem Budget einheizen.
Obwohl er fast immer Porsche 911 fährt, mausert sich Edgar Doeren zum Liebling der einfachen Leute. Zuviel hat er selbst einstecken müssen, um die Kragenecken noch oben zu schlagen. Das überlässt er anderen. 1981 kämpft er bis zum letzten Rennen um die Langstrecken-Weltmeisterschaft mit. Drei Jahre, bevor Stefan Bellof als der Deutschen erster Rundstrecken-Weltmeister in die Geschichte eingeht. Der Weg dorthin ist einzigartig. 1979 nimmt er seinen Lauf. Damals bewirbt Doeren sich um die Deutsche Automobil Rennsport-Trophäe. Sie trägt ihre Wertungsläufe quasi als Nachhut der prestigeträchtigen Rennsportmeisterschaft aus. Doch der eingesetzte 934 Turbo ist im Prinzip ein vier Jahre altes Auslaufmodell. Als BMW den M1 bringt, ist es mit Siegen vorbei. Noch schwerer wiegt das Interesse einiger Formel 1-Größen, die innerhalb der ”Trophy“ für die Procar-Serie üben. Allen Unkenrufen zum Trotz bringt der fröhliche Wuppertaler ein Kunststück fertig. Er sichert sich den Sieg. Das begeistert Teamkollege Jürgen Lässig und Werkzeugfabrikant Wera, einem Sponsor des Reutlinger Max-Moritz-Rennstalls.
1980 wird mit vereinten Kräften attackiert, bei Kremer Racing in Köln für 250.000 DM ein 935 K3 bestellt. Die Flunder wird eins von insgesamt 14 Kundenautos sein, die weltweit zur Auslieferung kommen. Ein Jahr zuvor hat Klaus Ludwig mit dem 750-PS-Boliden in Le Mans triumphiert. Doch Edgar Doeren muss Zugeständnisse einräumen, sich das Cockpit mit Gentleman-Driver Lässig teilen. Ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt, den ”200 Meilen von Nürnburg“ auf dem Norisring, dreht der Süddeutsche am Lenkrad. Prompt wird er Dritter, klettert zu den Stars auf das Siegertreppchen. Einige Wochen danach kontert Doeren, wird Dritter im belgischen Zolder. 1981 hat das Stühlerücken ein Ende. Gemeinsam bewerben sich die zwei Fuhr-Männer um die Langstrecken-Weltmeisterschaft. Der Jahreswagen erhält ein neues, frisches Design – und offenbar Flügel. Beim zweiten Lauf in Monza schwimmen Doeren/Lässig im Dauerregen zum Sieg. Es ist der 26. April 1981. Fünf Monate und einen Tag später ist der Traum vom großen Coup geplatzt. Im Zeittraining zur finalen Runde feuert Jürgen Lässig die Fuhre zweimal in die Fangzäune. Aus Mitgefühl tritt der Amerikaner Preston Henn den eigenen 935 an den verhinderten Titelaspiranten ab. Dem US-K3 ist ebensowenig Glück beschieden. Am Ende springt ein magerer achter Platz heraus.
Es folgt ein sportliches Tief. Die neue Gruppe C wirft lange Schatten voraus und erfordert Geld, sehr viel Geld. Doch das ist nicht vorhanden. Ein dritter Anlauf im mehr und mehr unterlegenen 935 folgt. Edgar Doeren besinnt sich neuer Werte, sagt einmal: ”Ich bin zwar nicht Weltmeister geworden. Aber dafür habe ich Freunde, gute Freunde. Und wer kann das im Rennsport schon von sich behaupten?“ Einer dieser treuen Wegbereiter und -gefährten ist der Düsseldorfer Gerhard Holup. 1987 übernimmt er aus Bayern einen umgemodelten 911 Carrera RSR und ordnet die Rückrüstung auf den ursprünglichen Stand an. Die Plastik-Attrappe erweist sich nämlich als etwas ganz anderes. Der Siegerwagen des 24-Stunden-Rennens 1988 ist geschaffen. Bis 1993 ein neuzeitlicher RSR auf 964-Grundlage entsteht, wird der alte immer wieder zitiert. Das bevorzugte Einsatzgebiet: der Veedol-Langstreckenpokal. Die simple Konstruktion ist bis in die auslaufenden Neunziger hinein siegfähig. Dann bricht mit Wucht die nächste technologische Revolution durch. Chrysler Viper GTS-R und in steigendem Maße auch 996-Derivate gewinnen die Oberhand. 2001 sichert sich Edgar Doeren im Tuffi-blauen Luftkühler den letzten Lorbeer.
Diesmal wiederholt sich die zwei Jahrzehnte alte Geschichte zunächst nicht. 2002 erst ermöglicht ein neu hingewonnener Geldgeber den Umstieg in einen aus Belgien herangeschafften 996. Doch die 1999 auf breite Räder gestellte Fuhre ist ein Fall für sich. Als der Anschluss hergestellt ist, holt die Turbo-Fraktion zum Overkill aus. Uwe Alzen setzt im Doppellader-Carrera Maßstäbe, die an Doerens 935 K3 erinnern. Schon denkt der an einen Konter, lässt seine Kontakte spielen. Einer gilt dem STT-Piloten Daniel Schrey. Der besitzt einen 935 Turbo auf 964-Basis. Mit annähernd 800 PS, ABS, brauchbarem Getriebe und ausreichend dimensionierten Reifen. Das Gerücht geht im November 2003 auf Reisen. Doch kaum ist die Meldung erschienen, macht eine andere Nachricht die Runde. Am 1. April 2004 schließlich ist es traurige Gewissheit: Edgar Doeren verliert 62-jährig den Kampf gegen den Krebs.
Am Tag danach beginnt auf dem Nürburgring die Langstrecken-Meisterschaft. Stammpartner Karl-Christian Lück dreht eine einzelne Ehrenrunde. Seit 1997 haben er und der Verstorbene ein Team gebildet. Im Geiste werden sie dies über den Tod hinaus tun. ”Karlchen“ übernimmt vorübergehend einen denkmalgeschützten Habitus. Auch er grüßt ab 2004 aus dem linken Seitenfenster heraus. Bei voller Fahrt. Auch dann, wenn die ”Hatzenbach“ schlüpfrig schimmert. Wie damals im Oktober 1990.
Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome, netzwerkeins GmbH
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