Die Hintergrundstory, aufgeschrieben von Livestream-Presenter Carsten Krome
Die Alternativen: Ein Kasseler Familienteam ist mit dem Praga R1 T der Nonkonformist des DMV GTC.
Eigentlich sind sie die Underdogs im Konzert der PS-gewaltigen GT3-Boliden. Doch immer öfter spielen die Aschoffs aus Kassel ganz oben mit in den Rennen des DMV GTC und des DUNLOP 60. Mit ihrem vergleichsweise kleinen, leichtgewichtigen Praga-Prototypen sorgen sie für gute Unterhaltung im Spitzenfeld – und für Überraschungen in Serie. Carsten Krome traf Max und Robert Aschoff beim Motorsport XL Weekend auf dem Nürburgring.
Bei Robert Aschoff bedarf es gewisser Kunstfertigkeit, sich nicht auf Anhieb willkommen zu fühlen. Der Kasseler Pferdeschwanz-Träger sagt über sich selbst, er sei Lebensmittel-Einzelhändler und nebenbei der Kopf eines kleinen Familienteams im Motorsport. Und dass er früher einmal Clubsport mit einer Chevy Corvette betrieben habe, bis diese in die Jahre gekommen sei, das verhehlt er ebensowenig. Auch sein Sohn Max, 27-jährig und Student der Wirtschaftswissenschaften in Hannover, stimmt gern in den Hochgesang auf das Understatement ein. Er sei ja erst seit zwei Jahren im Motorsport aktiv dabei, vorher das eine ums andere mal bei Trackdays mitgefahren – aber niemals ernsthaft, niemals mit übertrieben großer Ambition. Hinter den beiden freilich türmen sich die Pokale: Soeben sind die Aschoffs aus Kassel Gesamtdritte im DUNLOP 60, dem Einstunden-Freitagsrennen des DMV GTC auf dem Nürburgring, geworden – aber nicht mit dem US-Altwagen, sondern mit einem Exoten jüngeren Datums. Ihren Praga R1 T, so der selten gehörte Name des Prototypen in den Farben einer großen, deutschen Lebensmittel-Handelskette, haben sie in der Box aufgebockt und seiner Verkleidungsteile entledigt. Das erlaubt tiefere Einblicke in das Innenleben des slowakischen Leichtgewichts, das in Bratislava unweit des Slovakiarings gefertigt und an Familie Aschoff verkauft worden ist. Das Ganze passierte vor zwei Jahren, seitdem sind Robert und Max Aschoff in Zentraleuropa unterwegs – mit wachsendem Erfolg. Inzwischen fahren sie regelmäßig aufs Siegerpodium, sorgen mit ihren packenden Onboard-Aufnahmen während der Livestream-Übertragungen für gute Unterhaltung, sie bleiben dabei stets zugänglich und bescheiden. „Wir machen alles selbst, haben zwischen vier und sechs Helfer hier vor Ort – und wenn ein Ersatzteil erst spät am Abend vor einem Feiertag eintrifft, schraubt unser Harald Kohlhase eben solange durch, bis er fertig ist – so muss das sein im Motorsport, wir sind keine Profis, wollen auch keine sein. Wir sind und bleiben das, was wir sind – Lebensmittel-Einzelhändler.”
Im Konzert der großen, PS-starken GT3-Bolden sind die Alternativen aus dem Bundesland Hessen mit dem geringsten Kapitaleinsatz unterwegs. Ihr 1,80 Meter breiter und rennfertig 800 Kilogramm leichter Prototyp kostet nicht nur einen Bruchteil dessen, was für einen Porsche, Mercedes, Lamborghini oder Audi neuerster Machart zu veranschlagen wäre, er verschlingt auch deutlich weniger Wartungs- und Betriebskosten. 900 Euro kostet ein 15-Zoll-Reifensatz des Serienpartners Dunlop, mehr als zwei Sätze dürfen im DUNLOP 60 an einem Rennwochenende nicht verbraucht werden. Und auch der Antriebsstrang orientiert sich an minimalistischen Leitmaximen: vier Zylinder, ein Turbolader, 1.850 Kubik, 340 PS – viel mehr Leistung würde das Hewland-Sechsgang-Getriebe nicht verkraften. Muss es auch nicht, denn: Der Praga R1 T ist ein Musterbeispiel an Kurvengeschwindigkeit und Effizienz. Auf der Berg- und Talbahn von Dijon-Prénois im französischen Burgund ließ Max Aschoff Ende April bereits mit einer Trainingsbestzeit bei Vollbesetzung aufhorchen. In den Rennen schlägt seine Stunde fast immer während der Schlussphase, wenn die Reifen der unmittelbaren Gegner zwangsläufig abbauen. Die GT3-Elite ist zwar mit mehr PS, aber auch mit deutlich mehr Gewicht unterwegs. Die Alternativen im Starterfeld hingegen können auf eine konstantere Reifen-Performance bauen und kurz vor dem Fallen der Zielflagge zuschlagen. Inzwischen haben sich Vater und Sohn auf eine Arbeitsteilung verständigt: Max Aschoff ist der „Beißer”, der voll auf Angriff und Ergebnis fährt, als sein Teammanager lässt Robert Aschoff ihm den Vortritt. Nur beim einstündigen Freien Fahren dreht er am Freitagmorgen noch am winzig kleinen Lenkrad, das mittig angeordnet ist und an die CanAm-Renner der siebziger und achtziger Jahre erinnert. „Max hat sich weiterentwickelt, er ist ganz klar schneller als ich”, stellt Robert Aschoff unverblümt fest und fügt hinzu: „Mir macht die Rolle des Regisseurs genauso großen Spaß. Überhaupt – der Spaß steht eindeutig im Vordergrund, den haben wir in diesem Umfeld ganz sicher!”
Auf die Bürde des „Scorers“ angesprochen, die zwangsläufig auf ihm lastet, antwortet Max Aschoff mit einer Coolness, die kennzeichnend ist für seine Generation: „Uns ist schon bewusst, dass wir hier für Entertainment sorgen. Uns wird immer wieder nach den Livestream-Übertragungen des DMV GTC und des DUNLOP 60 davon berichtet – wir haben selbst doch gar keine Zeit, uns das anzusehen – entweder schrauben wir, oder wir fahren eben, und das am liebsten am äußersten Limit!” Und, im Nachsatz: „Das hat mir der Daniel Keilwitz so beigebracht. Er hat einmal gesagt, ich solle stets auf Angriff fahren, ganz egal, wo ich mich im Rennen gerade befinde.“ Aha?! Robert Aschoff zu den Hintergründen: „So ziemlich am Anfang, beim zweiten oder dritten Einsatz mit dem Praga, hatten wir ihn, den 25-fachen Laufsieger im ADAC GT Masters, bei uns im Team. Der Lerneffekt war natürlich enorm, wir haben unser Auto – und letztlich auch uns selbst – seitdem deutlich besser verstanden.” Auch wenn das gesamte technische Konzept einschließlich des aufgeladenen Formel-Renault-Motors aus der Slowakei stammt und dort konfiguriert worden ist, sind die richtigen Einstellwerte ausschlaggebend. „Die meisten Daten mussten wir selbst ausfahren”, erzählt Robert Aschoff, „im Laufe der Zeit konnten wir von Jahr zu Jahr vergleichen, wie wir uns auf der einen oder anderen Rennstrecke so gemacht haben – in Dijon zum Bespiel sind wir im April eine Sekunde schneller geworden. Das finden wir natürlich großartig, aber das macht uns noch lange zu keinen Profis mit entsprechenden Ambitionen.” Ihm ist deutlich anzumerken, dass er in der Rolle des Strategen aufgeht – oder, anders formuliert: dass er mit dieser Rolle aus anderen Lebensbereichen vertraut ist. Dabei ist ein „Influencer“ an ihm verloren gegangen: Mit Eloquenz und Wortwitz berichtet er in sozialen Netzwerken wie Facebook von seinen Ausflügen in die Motorsportwelt, und besonders unterhaltsam wird es, wenn einmal etwas – ohne eigenes Verschulden – schiefgeht. Dann müssen sich österreichische Veranstalter schon einmal so einiges anhören, und es fällt schwer, den eigentlichen Ernst der Lage aus dem verbalen Feuerwerk herauszufiltern – es ist einfach zu unterhaltsam. Max Aschoff ist, was das betrifft, ein stillerer Vertreter. Wenn er beim Gruppenbild zur Jubel-Geste aufgefordert wird, stöhnt er hörbar auf. Er nimmt nicht einmal die Sonnenbrille ab. Und wenn es um seine Meisterleistungen im allzu engen Kommandostand des Praga geht, hält er den Ball flach. „Ja, das wird schon warm hier drin, und eine Servo-Unterstützung oder ein ABS möchte ich nicht. Ich bevorzuge ein Auto, das mir ein Feedback gibt – ja, und dafür gehe ich halt ins Fitnessstudio oder spiele Fußball.”
Möglich, dass die Aschoffs auch im Porsche Carrera Cup ganz oben mitspielen könnten. Sie hätten in jeder Hinsicht das Potential dazu. Doch im Augenblick bevorzugen sie noch den Part der Alternativen, der Nonkonformisten. Das passt zu ihnen, denn Bescheidenheit ist ihre Zier. Und doch können sie nicht verhindern. dass ihre Namen längst in einigen Notizbüchern stehen. Was die Zukunft bringt, wird sich weisen.
Verantwortlich für Inhalt und Fotografie: Carsten Krome Netzwerkeins
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Im Livestream von 3D Race Log: 30 Minuten Rennaction, kommentiert von Carsten Krome, Netzwerkeins, produziert von Lars Zander.