Road Trippin’ | emotionale Grenzgänge in werk1 01.2023: Flower Power, erstes Kapitel.

Der Porsche Carrera RS 2.7 mit dem allseits geliebten „Entenbürzel“ ist 50 Jahre jung geworden – eine Zeit-Reise im Grenzgebiet zum runden Geburtstag.

Das FIA-Testblatt mit der Homologationsnummer 3053 enthält ein unscheinbares Detail. „Beginn der Serien-Fertigung im Oktober 1972“, steht dort geschrieben. Die Rede ist vom berühmten Carrera RS 2.7, der der Porsche-Kundschaft als Grundlage für Rennerfolge in aller Welt diente. Dazu musste freilich eine Sonderserie entstehen, die anfangs nicht mehr als 500 Exemplare umfasste. Diese Stückzahl war laut internationalem Sportgesetz erforderlich, um die Zulassung in der FIA-Gruppe 3 (Serien-Grand-Tourisme-Fahrzeuge) zu erwirken. Doch es kam anders: Die Werbebotschaft „Nur 500 Männer werden ihn fahren“ ließ die Nachfrage in ungeahnte Höhen schnellen. Am 9. April 1973 waren bereits die ersten 1.000 Carrera RS 2.7 produziert – jeder für sich ein Wahrzeichen. Das alles liegt nun unglaubliche 50 Jahre zurück. Eine Zeit-Reise zwischen Südpfalz und dem Elsass mit zwei Exemplaren dieser seltenen Spezies würdigt den erfrischend jugendlich gebliebenen Jubilar, möglich gemacht von Andreas Freund und seiner Carpoint GmbH in Karlsruhe.

Erster Zwischenhalt in Lauterbourg am Restaurant Au Vieux Moulin: Die Zeit-Reise mit dem nunmehr 50 Jahre jungen RS 2.7-Doppel führt ins malerische Elsass.

Früher war alles anders? Nicht unbedingt. Denn auch die 2.4-Liter-Ausführungen des F-Modells waren von vornherein nur auf eine Halbwertzeit von 24 Monaten ausgelegt. Doch schon zu Beginn des zweiten Modelljahres musste eine Erweiterung des Programms erfolgen. Ausschlaggebend war eine veränderte Konkurrenzsituation im Motorsport, der einen stetig wachsenden Stellenwert einnahm. Die Sportgesetze des Automobilsport-Weltverbandes FIA ließen eine technische Weiterentwicklung des bestehenden 911 S 2.4 nur noch sehr begrenzt zu. Der Hubraum des Motors durfte über das jeweilige Klassenlimit hinaus nicht verändert werden. Die Auswirkung auf den Zwovierer: 2.500 ccm sollten auf legale Weise nicht überschritten werden. Zum gleichen Zeitpunkt preschten Ford und BMW mit großzügiger dimensionierten Renn-Tourenwagen vor. In der aufstrebenden Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft und auf internationaler Ebene waren sie gegenüber den 270 PS leistenden 911 S/T im Vorteil. Es war abzusehen, dass die aufwändiger entwickelten Capri und 3.0 CSL auf lange Sicht unhaltbar sein würden. Die Hersteller investierten viel in ihr Sieger-Image. Im Land der Schwaben war man zumindest gewillt, ein Zeichen zu setzen. Das FIA-Reglement bot eine eindeutige Ausgangslage. Es galt, 500 weitgehend identische Serienfahrzeuge aufzulegen, und das innerhalb von zwölf Monaten. Die Konsequenz: eine Sonderserie, die ein vergleichsweise kleiner Automobil-Hersteller aber nicht auf Halde produzieren konnte. Die 500 Exemplare der geplanten Kleinserie mussten ohne Standzeiten verkauft werden können, um eine allzu aufwändige Zwischenfinanzierung zu umgehen.

Im Oktober 1972 lief die Fertigung des Carrera RS 2.7 an. Der Name signalisierte, dass es sich um ein außergewöhnliches Fahrzeug handeln musste. Zehn Jahre zuvor hatte das Werk die Zusatzbezeichnung Carrera – ein Verweis auf die Carrera Panamericana, einem Straßenrennen in Südamerika – an einen 356 C vergeben. Beim Carrera RS 2.7 handelte es sich um eine Sportausführung des 911 S 2.4 mit einer an den neuralgischen Punkten gezielt verstärkten Karosserie in Leichtbauweise, verbreiterten hinteren Radkästen zur Aufnahme von Sportreifen und einer auf die Motorhaube in einem Zweikomponenten-Verfahren gesetzten Heckspoiler-Oberschale, die als „Entenbürzel” in die Automobilgeschichte einging. Die Erhöhung der Zylinderbohrung von 84 auf 90 Millimeter ließ den Hubraum auf exakt 2.687 ccm anwachsen. Darin lag der eigentliche Pluspunkt. Der Carrera RS 2.7 sollte die neue Waffe sein, um in der Dreiliter-Klasse auf Ford und BMW antworten zu können. Je nach Budget sollten den Kunden zwei Varianten des Carrera RS 2.7 zur Verfügung stehen: Die FIA-Gruppe 3 (Serien-Grand-Tourisme-Wagen) richtete sich an den Bedürfnissen der zahlreichen (Breiten-)Sportfahrer aus, die zum Beispiel auf eigener Achse zu den Veranstaltungen reisen und auf eine Straßenzulassung nicht verzichten wollten. 

In der FIA-Gruppe 4 (Spezial-Grand-Tourisme-Wagen) tummelten sich professionelle Rennställe. Das Werk selbst verzichtete aus markttaktischen Überlegungen auf Werkseinsätze in der Gruppe 4 und überließ den Kunden das Feld. Im Vorfeld der Saison 1973 durchlief die Rennversion des RS 2.7, der RSR 2.8, ein Entwicklungsprogramm. Mit seinen 300 PS übertraf er die Leistungsausbeute des 911 S/T um gut zehn Prozent. Damit war das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht. Das sollte erst 1975 der Fall sein, als ein Kremer-RSR aus drei Litern Hubraum 348 PS schöpfte. Der Rückstand auf Ford und BMW, die weiterhin Fortschritte machten und bis zu 400 PS freisetzten, blieb so zumindest überschaubar. Damit war ein wichtiges strategisches Ziel erreicht, zumal 1975 ein neues FIA-Reglement in Kraft treten sollte – eigentlich. Es war vorgesehen, mit einem Derivat des 911 (930) turbo 3.0 in den Wettbewerb einzutreten, um sich die lästigen Großserien-Hersteller aus Köln und München vom Leib zu halten. Doch es kam alles anders: Die Einführung des neuen FIA-Reglements verschob sich um ein Jahr, und die einstigen Gegner wechselten 1977 in die Zweiliter-Division der neuen Gruppe 5. Plötzlich war Porsche Alleinunterhalter wider Willlen, dieser Zustand hielt bis 1982 an. Dann hatte die FIA endlich ein Einsehen und richtete die technischen Spielregeln abermals neu aus, diesmal mit durchaus nachhaltigerem Erfolg. 

( … to be continued … )

Tour-Station Nummer zwei: Munchhausen (deutsch: Münchhausen) ist eine französische Gemeinde mit 811 Einwohnern im Département Bas-Rhin in der Region Grand Est (bis 2015 Elsass).

werk1-nine-eleven-boxerstories-Ausgabe-01-2023-Titelseite-Porsche-911-Speedster-Umbau-AP-Car-DesignDies ist ein Original-Auszug aus der werk1-Ausgabe 01.2023, diese können Sie hier bequem nachbestellen:

werk1 nine | eleven boxerstories, Frühjahrsausgabe № 01 | 2023, im Handel ab Ostersamstag, 8. April: online bestellen auf netzwerkeins | GO!

https://www.netzwerkeins.com/produkt/werk1-nine-eleven-boxerstories-die-neue-ausgabe-01-2023-8-april-2023/

Check:
#yesporsche #yesporsche911 #classiccars #keyontheleft #getoutanddrive #porsche911 #porsche #savethemanuals #porschemoment #porschecarrerars #porschefans #porschelife #aircooledporsche #luftgekühlt #carrera #instcars #instacars #werk1 #sportscarsculture #classicporsche #getoutanddrive #porscheclassic #porschesociety #porschelove #porscheclub #aircooled #aircooledcollective #aircooledporsche #boxerstories #nineelevenboxerstories