Ein 1976er Porsche 911 2.7 Coupé (ehemals 165 PS) in der rennsportlichen Anmutung des Porsche Carrera RSR 2.8, noch dazu in der Grundfarbe Silber, abgesetzt mit dunklem Blau: Das könnte auch die Ouvertüre zu einer weiteren Doublette sein. Aber keine Sorge: Thomas Iking und Sinisa Milic stellen sich mit keiner Replika des legendären Martini-RSR vor. Davon existieren schon viel zu viele. Vielmehr entschieden sich die zwei Handwerker für eine freie Interpretation einer Kult-Sponsormarke der siebziger und achtziger Jahre. Das Lebensmotto der beiden, die in Stadtlohn unter der Firmierung Münsterland Classic Cars, kurz: MCC, an klassischen Fahrzeugen arbeiten: “Mach‘ Station bei Texaco”, 1988 umdeklariert in: “Hier ist Dea, hier tanken Sie auf!” Sie haben es längst bemerkt: Dies ist keine Geschichte, die Sie schon einmal irgendwo gelesen haben. Sie handelt vor allem von einem: bedingungsloser Leidenschaft.
Sind Sie schon einmal auf dem Flugplatz Stadtlohn-Vreden gewesen? Obwohl der beschauliche Verkehrslandeplatz im Kreis Borken liegt, also auf der münsterländischen Seite, sind die Niederlande nur einen Steinwurf weit entfernt.
Die Start- und Landebahn ist 1.200 Meter lang, die Breite beträgt durchgängig 30 Meter. Ein wenig Benzin im Blut vorausgesetzt, könnte hier das eine oder andere Fluggerät auf vier Rädern sportlich bewegt werden. Thomas Iking weiß das nur zu gut. Der 46-jährige Urwestfale kommt aus Südlohn, einer Nachbargemeinde. Dort begann er, in einer mehr oder weniger ungeheizten Werkhalle, an klassischen Autos und Motorrädern Hand anzulegen – sofern die Hände nicht eingefroren waren. Kam es ganz hart, traf das auf jeden Fall für die Getränkevorräte in der Werkstatt zu! Im Winter steckte in den Flaschen statt Cola oft genug ein Eisklumpen. Auch wenn er und sein Geschäftspartner Sinisa ‘Barny’ Milic mit ihrer Firma Münsterland Classic Cars inzwischen in repräsentativere Räumlichkeiten umgezogen sind: Die Anfangsjahre haben beide geprägt. Auch wenn Thomas Iking ein offener, geradliniger Charakter zu sein scheint: Eine gewisse Härte ist seinen Zügen nicht abzuerkennen – der Mann weiß, wie (Termin-)Zusagen eingehalten werden: eben nur durch festes Anpacken, im Sommer wie im Winter, bei Tag und bei Nacht.
Auf den Flugplatz Stadtlohn-Vreden, der vor fast seiner Haustüre liegt, hat Thomas Iking sein silbern glänzendes Spiel-, Spaß-, Sport- und Arbeitsgerät mitgebracht. Nur auf den ersten Blick handelt es sich um eine weitere Interpretation des scheinbar unverwüstlichen (Mode-)Themas ‘Martini-RSR’. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass viele Individuallösungen den besonderen Charme dieses Porsche ausmachen. Er tritt in einem Sponsorlook auf, den es so, in dieser Form, niemals gegeben hat. Texaco war bis zur Umfirmierung in Dea im Sommer 1988 zwar im Motorsport aktiv, allerdings als Premium-Partner des Ford-Werksteams von Ruedi Eggenberger. “Eggi” und die “Schwarzen Teufel”, sprich: die Ford Sierra RS 500 Cosworth, schrieben Tourenwagen-Geschichte. Ebenso außergewöhnlich wie die Logos der einstigen Tankstellenkette ist die Spielwiese des umgebauten Porsche 911 2.7 Coupés: Auf der Rennstrecke tummelt er sich inmitten der Mitglieder des Morgan Sports Car Clubs Deutschland. Beim TV-Presenter ‘JP’ Krämer würde es spätestens jetzt, an dieser Stelle, heißen: “Wir müssen reden!” Dieser Einladung kommt Thomas Iking gerne nach.
Entspannt an die Außenwand des Flugzeughangars gelehnt, erzählt er: “Ich bin in Autowerkstätten aufgewachsen. Mein Vater war Kraftfahrzeug-Mechanikermeister bei Renault.”
Als ich acht Jahre alt war, erhielt ich einmal die Gelegenheit, auf der Rückbank eines Porsche Turbo mitgenommen zu werden. Das war auf dem Weg zum Fußballtraining, ich hatte meine Sporttasche auf den Knien und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Von diesem Moment an, der in Wirklichkeit 15 Kilometer lang anhielt, war das mein Auto!” 2008, im ersten Jahr der Selbstständigkeit in Vollzeit, pendelte sich die Auslastung mit Restaurationsprojekten auf Porsche-Basis bei etwa 50 Prozent ein. Gleichzeitig kam der Auftrag herein, den technischen Support für den Morgan Sports Car Club Deutschland und dessen Clubsport-Rennserie zu übernehmen – da war ein geschickter Kompromiss gefragt, sollte begleitend ein Kunden-Referenzfahrzeug entstehen. Schließlich bestand die Möglichkeit, in einer offenen Klasse auch Porsche-Fahrzeuge mitlaufen zu lassen. “Wir haben uns das Reglement angeschaut und festgestellt, ein leichtfüßiges, agiles Auto bauen zu können, um gegen die Morgan nicht alt auszusehen. Zu guter Letzt fanden wir einen Weg, ohne uns verbiegen zu müssen.” Das wäre für ihn nie in Frage gekommen, ebensowenig ein Stereotyp wie der zu Dutzenden zitierte Streifen-Look des Martini Racing Teams aus dem Jahr 1973.
In Abstimmung mit einem guten Freund und Kunden nahm er sich bereits im Jahr 2010 eines 1976er Porsche 911 2.7 Coupés mit 165 PS ab Werk an – ein ehrliches Auto mit Schaltgetriebe, Schiebedach und den üblichen Macken nach all der Zeit. Das Konzept stand früh fest: kein Leichtbau um jeden Preis, dafür maximale Kurvendynamik. Bei seiner Ideenfindung übersprang Thomas Iking eine ganze Modellgeneration – aber: Was sind schon Dogmen? Einerseits wollte er die äußere Form des Carrera RSR 2.8 interpretieren, auf der anderen Seite aber nicht das 1973 noch gebräuchliche Drehstab-Fahrwerk, in einem späteren Entwicklungsstadium zumindest an der Hinterachse durch zusätzliche Schraubenfedern ergänzt, verwenden. Vielmehr sollten die 1974 mit dem Carrera RSR 3.0 und dem G-Modell eingeführten Radaufhängungen übernommen werden.
Im Klartext bedeutete das: Schraubenfedern statt der Drehfederstäbe. Die anspruchsvollste Aufgabe dabei: das Aufspindeln der Quertraverse hinten im Motorraum, um Schraubenfedern mit 100 Millimetern Durchmesser ein Widerlager mit ausreichender Auflagefläche zu bieten.
Diese Maßnahme kam in Zuge der FIA-Homologation 3053 ab 1974 beim erfolgreichen Carrera RSR der zweiten Serie zum Tragen. Sie setzt einige weitere Verstärkungen im Motorraum voraus, die in der Homologation exakt definiert sind und aufgeschweißt werden. Nur so ergibt sich in den Kurven eine überdurchschnittlich hohe Abstützung, die durch die breiten 15-Zoll-Räder an der Antriebsachse noch unterstrichen wird. Die auftretenden Kräfte waren seinerzeit so gewaltig, dass die Serien-Radlager nicht lange standhielten. Profis spindelten die damals stählernen Hinterachs-Schräglenker auf, um neue Radlager mit größeren Querschnitten fahren zu können. Diese Uhrmacher-Tätigkeit lassen sich manche Feinmechaniker heute teuer bezahlen. Das gilt auch für die dünn gesäten Spezialisten, die ein geschmiedetes 15-Zoll-Rad der Otto Fuchs KG in eine dreiteilige Felge verwandeln – einschließlich der Option, die Maße der Schüsseln an den jeweiligen Zweck anzupassen. Thomas Iking ging es einfach selbst an, er stach die Radsterne ab, setzte die Schraubenbohrungen und brachte das Ensemble mit BBS-Schüsseln aus der Motorsport-Abteilung zusammen.
Als Einheit mit dem Schraubenfedern-Sportfahrwerk von Bilstein ergibt sich nicht nur ein attraktiver Höhenstand, sondern natürlich auch das geforderte Maß an Querbeschleunigung. Geht es um die Längsdynamik, greifen vierteilige Festsättel aus dem Porsche 911 turbo 3.3 ab dem Modelljahr 1978 kräftig zu. Diese umfassen standesgemäß gelochte, innenbelüftete Scheiben. Zum Gesamtpaket gehört nicht zuletzt das übliche Fünfgang-Schaltgetriebe des Typs 915, allerdings ohne extern angeordnete Getriebeöl-Kühlung wie beim RSR und ohne ein Sperrdifferenzial. Da es sich um einen Mix aus ‘Coffee Racer’ und Trackday-Spielzeug handelt, standen Vortrieb und Traktion (noch) nicht im Vordergrund. Anders formuliert: Beides sind Ausbauoptionen.
Für den Motor, der auf dem ‘7R’-Magnesium-Gehäuse aufbaut, gilt das nicht unbedingt. Hier ist mit 264 PS bei 6.900 Kurbelwellen-Umdrehungen in der Minute ein Messwert erzielt worden, der ausreicht, um Spaß zu haben. Im Wesentlichen setzt sich das Aggregat mit dem tiefblau lackierten Kühlgebläse-Lüfterrad aus der mechanischen Einspritzpumpe aus dem 2.4 S, einer elektronisch frei programmierbaren Onixx-Doppelzündung sowie einer aufgespindelten Drosselklappe aus dem 911 S zusammen, um einen größeren Luftdurchsatz zu ermöglichen: Bis auf 100 Kubikzentimeter entspricht der Hubraum zwar der Serie, aber auch beim reinrassigen RSR war nur auf diese Weise ein Mehr an Motorleistung zu erzielen. Aufgrund der Serien-Pleuel und -Kipphebel beträgt die maximal vertretbare Drehzahl grundsolide 7.800 Umdrehungen in der Minute – gegenüber dem RSR besteht noch Luft nach oben. Das gilt andererseits auch für das Budget, das eine vorgegebene Grenze nicht überschritten hat. Zusammengefasst: Dieser Sechszylinder-Boxer ist die Quersumme aus Vernunft und Vorwärtsdrang!
Dasselbe ist der kurvenreich-barocken Außenhaut anzusehen, die im Stahlblech verbreitert worden ist. Die Grundfarbe Silber entspricht noch der gängigen ‘Martini-Norm’, Form und Zuschnitt der rot-blauen Dekore durchbrechen das Schema jedoch. Die Beschriftung mit den Logos des 1988 in ‘DEA’ umgewandelten Mineralölkonzerns ‘Texaco’ gehört eindeutig in die Kategorie: ‘Endlich mal was anderes!’ Genau darum ist es Thomas Iking und Sinisa ‘Barny’ Milic gegangen, genau darum schwimmen sie mit dem Kunden-Porsche beim Morgan Sports Car Club in mehrfacher Hinsicht gegen den Strom. Sie sind im Feld der britischen Kult-Roadster die Exoten, und sie nehmen diese Rolle dankbar an. ‘Wir haben uns ein breites Kreuz angeeignet’, offenbart der ‘Spiritus Rector’ und schmunzelt. Noch immer lehnt er an der Außenwand des Hangargebäudes.
Währenddessen macht der Chronist, bäuchlings vor dem RSR-Replikat ausgestreckt, eine neue Erfahrung. Mit der Kamera im Anschlag, fällt ihm plötzlich auf, dass es nach Zigarren duftet.
Über die Schulter den Blick nach hinten gerichtet, steht direkt hinter ihm eine Dame in ihren späten Zwanzigern. Mit dem Rauchwerk in der Hand, strebt sie einem der vielen abgeparkten Fluggeräte entgegen. ‘Aber Du musst mal kurz weg hier, Du liegst in meiner Flugbahn – es sei denn, Du möchtest von mir überrollt werden‘, warnt die kernige Raucherin in bodenständigem Ur-Westfälisch. Der Porsche und die Einmotorigen – Flugmaschinen unter sich: Da geht es zünftig zu, und der Zuspruch der Kundschaft aus Nah und Fern bestätigt die vor Jahren eingeschlagene Richtung. Bei Münsterland Classic Cars sind Ausstellungsraum und Werkstatt gleichermaßen zum Bersten gefüllt – vorwiegend mit klassischen Porsche-Fahrzeugen. Vor nicht allzu langer Zeit war dort noch die Marke Renault zuhause. Die Dinge sind im Fluss.
© Carsten Krome Netzwerkeins
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