Nonkonformisten im Neunelfer-Cockpit: Das hat es vor Luis Glania schon gegeben. Ralf Kelleners (51) ist eines der prominentesten Beispiele dafür, dass es im Spitzensport auch ohne den Hipster-Stereotyp vorangehen kann. Zehn Jahre vor seinem Griff nach dem großen Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans 1997 mit dem Werks-Porsche 911 GT1 Evo war Ralf Kelleners noch ein liebenswerter Querkopf mit großem Faible für Punk- und Rockmusik.
(Original-Text aus dem Jahr 2002) Der Mann ist erst 34 Jahre alt. Und dennoch blickt er bereits auf ein Rennfahrerleben voller Höhen und Tiefen zurück. Gleich dreimal hatte Ralf Kelleners die Chance, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans zu gewinnen: 1997 mit Porsche, 1998 mit Toyota und 2001 mit Audi. Geklappt hat das nie. Und dies gilt leider auch für die American Le Mans Series. Nur zu gerne wäre der Rockmusik-Liebhaber in das BMW-Werksteam eingestiegen. Statt dessen zeigte er sich in der neuen V8STAR-Formel. Sein Renner: ein Gitterrohrrahmen-Fahrgestell mit Fünfer-Silhouette. Die erhoffte Signalwirkung blieb bislang aus.
Ein Jahr ist es nun her, dass ein klangvoller Name zuletzt die Windschutzscheibe eines BMW-Renners zierte: Kelleners. Anfang der achtziger Jahre war Helmut Kelleners für die Münchner Marke dreimal in Folge Tourenwagen-Europameister gewesen. Als er seinen Sturzhelm mit dem berühmten schwarzen Blockstreifen Ende 1985 für immer beiseite legte, übernahm Filius Ralf die Staffette. Im Kart hatte der jugendliche Rebell soeben einen gewissen Schumacher geputzt und sich für höhere Weihen empfohlen. Sein Dilemma: Rennsport-Deutschland litt zu dieser Zeit unter Lähmungserscheinungen. Binnen drei Wochen waren zwei potenzielle Weltmeister von morgen tödlich verunglückt: Stefan Bellof und Manfred Winkelhock. Die Furcht, ein weiteres junges Rennfahrerleben zu opfern, drückte gewaltig.
Und doch formierte sich im Frühjahr 1988 eine viel versprechende Initiative: das Nachwuchsteam der Obersten Nationalen Sportkommission (ONS). Als Fahrer für die Deutsche Formel-3-Meisterschaft auserkoren: Ralf Kelleners. Seine Hintermänner: der ehemalige BMW-Rennleiter und Österreicher Dieter Stappert, dazu die Streckensprecher-Ikone Rainer Braun. Mit vereinten Kräften hatten sie den Tiroler Gerhard Berger bis in Ferraris Formel-1-Rennstall befördert. Diese Zukunft sollte dem Deutschen nun ebenfalls blühen. Der Erwartungsdruck war mächtig, echte Zuneigung zwischen den Beteiligten hingegen kaum feststellbar. Lieber schrieb man sich Briefe, die heute noch herumgereicht werden. Es kam, wie es kommen musste: Inmitten der laufenden Saison ließ man ihn öffentlich fallen, den angeblich Hoffnungslosen. Längst hatte das Zielfernrohr des multinationalen Drahtzieher-Doppels diesen Schumacher vergrößert. Auch der fuhr inzwischen Autorennen – mit wallendem Nackenhaar und ohne Geld in der Formel Ford.
Der Rest ist Geschichte: Abermals mit vereinten Kräften manövrierte man den Kerpener Richtung Formel 1. Als Michael Schumacher beim Großen Preis von Belgien 1991 die Arrivierten endlich bloßstellen durfte, hatte auch Ralf Kelleners den Anschluss wieder hergestellt. Er hatte sich das DTM-Cockpit eines privaten BMW M3 gesichert. Doch die Tür ins Werksteam blieb verschlossen. ”Wir haben zwar einen BMW-Betrieb zuhause in Dinslaken“, vermutet der 34-Jährige, ”aber eben auch eine erfolgreiche BMW-Tuningabteilung. Ich glaube, man wertete die Marke Kelleners Sport als Konkurrenz für das M-Technic-Programm.“ Und so verwundert es nicht, dass das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring anno 1992 der vorläufig letzte Einsatz mit bayerischen Material bleiben sollte.
”Ich teilte mir Alex Burgstaller einen höchstens 220 PS starken 320er,“ verklärt der Rockmusik-Liebhaber, ”wir haben gefightet wie die Blöden!“ Ralf Kelleners entdeckte eine neue Leidenschaft: Langstreckenrennen, wie weiland sein Vater. 1997 war er in Porsches GT-Mannschaft untergekommen. Um Haaresbreite hätte er in Le Mans gewonnen, das zehn Jahre lange Auf und Ab vergessen gemacht. Es sollte nicht sein. Die Zielflagge bereits vor Augen, ging der 911 GT1 wie von Geisterhand gelenkt in Flammen auf. Kelleners, zu diesem Zeitpunkt der Steuer-Mann im Cockpit, federte unversehrt hinaus ins Freie. Das imponierte dem Toyota-Sportchef Ove Andersson. Einen Sommer später lenkte der Deutsche neben lauter Formel-1-Heroen einen roten GT-One. Er schaffte es wieder nicht. Und auch der dritte Matchball schoss ins Kraut: 2001, im Audi R8. Bereits am Abend war die Ingolstädter Fuhre plötzlich stehengeblieben. Eine Unterstellung kursierte: Die sensible Hochtechnologie soll er zu hart herangenommen haben, der Rauhbeinige.
Ralf Kelleners lotete das nächste Ziel aus. Einen Namen als Langstreckenass hatte er nun, ein Faible für alles Amerikanische, nur keinen Arbeitsplatz in der American Le Mans Series (ALMS). Dort stampfte BMW mit dem M3 GTR E46 sämtliche Porsche GT3-R in Grund und Boden. ”Dieses Projekt interessierte mich sehr“, gibt der Reiselustige offen zu, ”aber es fehlte der direkte Draht,“ Oder jemand, der ihn ans Herz des BMW-Rennleiters Berger gelegt hätte. Wie war der Name noch gleich? Richtig, jener Gerhard Berger, dem Stappert und Braun seinerzeit zum Durchbruch verholfen hatten! Kelleners, geübt im Umgehen des direkten Weges, zog eine andere Trumpfkarte. Er setzte sich in einen V8STAR, ein Gitterrohrrahmen-Fahrgestell mit Einheitsmotor und getarnter Fünfer-Silhouette darüber. Das war im Herbst 2001, vor einem Jahr also.
Die Neuauflage der fast historischen Ehe Kelleners-BMW hielt genau ein Wochenende. Dann zog sich der Rennstall des Estenfelders Armin Knüpfing aus der V8STAR-Szene zurück und mit ihm verschwand die Fünfter-Optik. Und Ralf Kelleners? Der glänzt hin und wieder in privat finanzierten Sportprotypen, schwärmt von Power en masse, aerodynamischem Abtrieb und dem Profitum als solches. ”Ich könnt’ mich längst vom Tuninggeschäft ernähren“, stellt er nüchtern fest, ”aber da ist auch noch der Alte.“ Was bitte sagt der 63-jährige Senior? ”Kelleners, fahr’ Rennen!“, lautet die karge Antwort. Da können wir ihm nur beipflichten!
Zum Thema: warum die Fünfer-Karosserie aus der V8STAR-Rennserie wieder verschwand.
Einheitliche Gitterrohrrahmen-Fahrgestelle mit gleichfalls identischen Achtzylinder-Triebwerken, eingehüllt in unterschiedliche Karosserie-Abgüsse: Das ist die V8STAR. Ins Leben gerufen hat sie eine Gruppe ehemaliger Spitzenmanager, darunter Ex-Rennleiter Max Welti (Sauber-Mercedes, Porsche) sowie dessen früherer Amtskollege Lothar Pinske (Ford). Symbolfigur der Silhouetten-Rennserie ist jedoch der einstige BMW-Werkspilot Altfrid Heger. Dessen Verbindungen ins bayerische Werk hatten ihn hoffen lassen, auch einen Abguss der Fünfer-Baureihe anbieten zu können. Schon fanden erste Tests mit einem entsprechenden Prototypen statt. Doch die später erfolgten Auflagen aus München machten das Basismodell praktisch unkenntlich. Die Folge: Sponsoren waren für den anonymen Viertürer kaum zu begeistern. Mit Teamchef Armin Knüpfing verschwanden auch dessen BMW, die offiziell keine sein durften. Der Kelleners-Bolide rannte weiter – verkleidet als VW Passat.
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